Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition)
anderen deutschen Städten. Breslau eingeschlossen u. isoliert. Offenkundige Desintegrierung der deutschen Verteidigung. Sporadischer und örtlicher Widerstand. Scheinbares Versagen der Befehlsübermittlung.
Leipzig Mary Wigman 18 86–1973
Dresden zerstört – total – tot – unwiederbringlich – Der Zwinger ist nicht mehr, die Hofkirche nicht mehr, Oper u. Schloss, das japanische Palais –zertrümmert, verbrannt.
Fünf Terrorangriffe nacheinander – Die Menschen! ... Ruth, Gert und ihre Kinder?
Will?
Herzfelds?
Rita mit ihren 4 Kleinen, und Oskar [?] in Budapest? Die Rudolph, Seilers, Kretzschmars? Unser altes Mariechen?
Alle paar Minuten fällt mir jemand Anderes ein, um dessen Schicksal man bangt.
Wann kann eine Nachricht kommen, wie wird sie lauten?Die Stadt belegt mit Flüchtlingen. Auffangstation für Schlesien –
Nur Gisela ist kurz vorher mit ihren Kindern fortgefahren – vor meinen Augen ersteht das Bild dieser so unsagbar schönen Stadt, der Blick vom Neustädter Ufer aus auf den zauberhaften Rhythmus der Bauten, die das Antlitz der Stadt waren.
Warum nur musste auch dieses noch sein?
Tage und Nächte lang waren die Bomberverbände über dem sächsischen Raum. Und ein Verband nach dem anderen jagte auf Raum 16 zu. Das war Dresden. Auch hier waren die Nächte vom Feuerschein erhellt, und das Dröhnen der Maschinen über uns drang bis in den Keller hinein, in dem die Menschen angstvoll zusammen sassen, und warteten ob die Bombenlast für uns bestimmt war.
Köln Der Pfarrer Robert Grosche 1888–1967
Seit heute haben wir wieder elektrisches Licht. Wer weiß für wie lange.
Die Zeitungen melden, daß Dresden schwer bombardiert worden sei. Darin zeigt sich zunächst das neue angekündigte Zusammenarbeiten der Alliierten. Aber wie furchtbar ist es, daß nun auch der Osten völlig zertrümmert wird! Eine Stadt nach der andern wird in Staub sinken.
In der Zeitung steht die Nachricht, daß Pater Matthäus Schneiderwirth gestorben sei. Er war noch ein echter Franziskaner, den ich seit meinen Bonner Studienjahren verehrt und geliebt habe. Ich habe ihn dann eigentlich nur noch einmal getroffen bei der Tagung in Waldenburg bei dem Fürsten von Schönberg, auf derwir zum ersten Male mit den evangelischen Mitbrüdern zusammen waren. Auf der Tagung selbst hat er kaum ein Wort gesagt, und doch hat er einen ganz starken Eindruck auf die Evangelischen gemacht. Sie haben die echt franziskanische Seele gespürt, die ihnen da gegenübertrat.
Marburg Die Schriftstellerin Lisa de Boor 1894 –1957
Sachsen, und vor allem die Stadt Dresden, wurde schwer heimgesucht durch Bombardierung. Nach Liegnitz und Sagan nehmen die Russen jetzt Sorau und stehen dicht vor Cottbus. Was wird Monika tun in dieser Stunde? Ist sie wirklich frei? Und wohin wird sie sich wenden? Die Nachrichten über das Elend der Flüchtlinge aus dem Osten sind unüberbietbar schauerlich. Die Menschen sterben massenhaft an Hunger oder an Entkräftung.
Lageberichte des kommissarischen Leiters der Abteilung Propaganda im Reichspropagandaministerium
Berlin, den 15. Februar 1945...
Die Tragfähigkeit des Eises im Frischen Haff ist so weit gesunken, daß es mit Fuhrwerken nicht mehr befahrbar, sondern nur noch zu Fuß zu überqueren ist ...
Danzig ist voll von Verwundeten, die nicht genügend verpflegt werden können. Leichtverwundete betteln um Brot und nehmen Kartoffelreste und –schalen aus Hunger zu sich...
Im Hirschberger Raum befinden sich ca. 500 000 Menschen, die auf dem Bahnwege nicht abtransportiertwerden können, da die Bahn nach Görlitz wegen Wehrmachtstransporten ausfällt...
Pillau Der Stadtbürodirektor Hugo Kaftan
Transportleistungen:
Bis Mitte Februar hatten 204 000 Menschen Pillau auf dem Seeweg verlassen, 50 000 waren zu Fuß oder mit Treck über die Nehrung übergesetzt worden und dort zu Fuß in Richtung Danzig geflohen.
Sissinghurst Harold Nicolson 1886–1968
Ich nehme im Unterhaus an einer Ausschußsitzung über polnische Flüchtlinge teil. Drei geflüchtete Polen berichten uns. 1 230000 Polen sind verschleppt worden, und nur neun Prozent davon sind nachträglich entkommen. Eine wirklich schöne Frau erzählt uns, wie ihr Vater, ein Bankdirektor, sie selbst und ihre Mutter in Viehwagen verladen und nach Kasan verschickt wurden, wo sie auf dem Land arbeiteten und mit Kalmücken zusammen leben mußten. Ihr Vater verschwand. Ein anderer Mann erzählt uns, er sei ohne jede Anklage acht Monate
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