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Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition)

Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition)

Titel: Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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»Kompetenzüberschreitungen« geärgert hatte, wie er sich ausdrückte, war unschlüssig und sagte weder »ja« noch »nein«. Für mich hieß das: Arrangiere eine »zufällige« Begegnung. Ich tat es. Während eines Fliegeralarms richtete ich es so ein, daß Giesing dem Führer in die Arme laufen mußte. Als der Arzt dann »plötzlich« vor ihm stand, blickte Hitler auf und sagte ausnehmend liebenswürdig: »Ach, Doktor. Wie geht es Ihnen und Ihrer Familie? Kommen Sie mit!« Wie weggeblasen war die alte Verstimmung. Hitler wirkte erfreut und aufgeschlossen; aber er erlegte sich keinen Zwang auf, sondern gab sich so, wie er wirklich war. Dem Arzt, der ihn kannte, wollte er wohl nichts vormachen. Er wußte, daß er ihm den inzwischen rapide vorangeschrittenen Verfallprozeß nicht verheimlichen konnte. Giesings Bericht spricht denn auch für sich. »Als ich das Gesicht Hitlers jetzt... sehen konnte«, schrieb er im Juni 1945, »war ich erstaunt über dieVeränderungen. Er schien mir gealtert und noch mehr gebeugt als sonst. Seine Gesichtsfarbe war unverändert blaß, und er hatte starke Säcke unter den Augen. Seine Sprache war zwar klar, aber sehr leise. Sofort fiel mir ein starkes Zittern des linken Armes und der linken Hand auf, das jedesmal stärker wurde, wenn die Hand nicht auflag, so daß Hitler den Arm immer auf den Tisch oder die Hände auf die Bank stützte... Ich hatte den Eindruck, daß er ziemlich geistesabwesend und nicht mehr konzentriert war. Er machte einen absolut erschöpften und abwesenden Eindruck. Auch seine Hände waren sehr blaß und die Fingernägel blutleer.«
     
    Berlin Adolf Hitler 1889–1945
    Politisches Testament
    Der schwerste Entschluß dieses Krieges war für mich der Befehl zum Angriff auf Rußland. Immer hatte ich die Meinung vertreten, daß Deutschland keinen Zweifrontenkrieg führen darf, und niemand soll bezweifeln, daß ich mehr als irgend jemand die Erfahrungen Napoleons in Rußland studiert und durchdacht habe. Warum aber dann dieser Krieg gegen Rußland? Warum zu dem von mir bestimmten Zeitpunkt?
    Es gab für uns keine Hoffnung mehr, den Krieg im Westen mit einer Invasion der englischen Inseln zu beenden. Dies von Schwachköpfen geführte Land hätte sich gegen die Anerkennung unserer Führerrolle und einen ehrlichen Friedensschluß solange gesträubt, als noch eine im innersten Wesen reichsfeindliche Macht in Europa selbst ungeschlagen blieb. Der Krieg mußte sich darüber ins Unendliche hinziehen; ein Krieg, an
    dem die Amerikaner im Hintergrund sich in zunehmendem Umfang beteiligten. Das Schwergewicht des Menschen- und Materialpotentials der USA, der unaufhörlich fortschreitende Zuwachs der Kriegstechnik und der neuen Waffen – beim Feinde ebenso wie bei uns –, die drohende Nähe der englischen Küste, all das zwang uns zu versuchen, einen langandauernden Krieg mit allen Mitteln zu verhindern. Die Zeit – immer wieder die Zeit! – mußte in steigendem Maße gegen uns arbeiten. Das einzige Mittel, die Engländer zum Frieden zu zwingen, war, ihnen durch Vernichtung der Roten Armee die Hoffnung zu nehmen, uns auf dem Kontinent einen ebenbürtigen Gegner entgegenzustellen. Es blieb uns keine andere Wahl, als den Faktor Rußland aus dem europäischen Kraftfeld auszulöschen. Es gab dafür noch einen zweiten ebenso durchschlagenden Grund, der für sich allein schon ausgereicht haben würde: die aus der bloßen Existenz des Bolschewismus latent drohende Gefahr. Der Angriff von dieser Seite mußte eines Tages geradezu zwangsläufig erfolgen.
     
    Haan/Rheinland Emil Barth 1900–1958
    In den letzten Tagen las ich die Gespräche Friedrichs des Großen mit Catt: seine Situation ist mit der unsren gar nicht zu vergleichen, wie man es jetzt so oft zu tun beliebt. Und mag es auch wahr sein, wenn dieser große und böse Mann von sich sagt, daß er sich mit Freuden in Stücke hacken lassen würde, um seinem Volk den Frieden zu geben, für den es so bitter gekämpft und so große Opfer gebracht hat, – wer hat ihm denn diesen Frieden genommen? Was für ein furchtbarer Weg istdieser von Leichen bedeckte, von Blut besudelte, von Tränen überschwemmte Weg zur Größe, wenn man ihn von dem Ziele aus überblickt, zu dem er in diesen unsern tragischen Jahren geführt hat!
     
    Erfurt Der Wehrmachtspfarrer Siegfried Hotzel 1894–1992
    Der Feind steigert seine Luftoffensive ins Maßlose. Täglich erleben wir endlose Überfliegungen; der Luftalarm ist Dauerzustand geworden; eine

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