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Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition)

Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition)

Titel: Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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paar Tagen gegenüber seiner Frau bei Tisch hatte fallen lassen, schien es wahrscheinlich, daß er versuchte, für seinen Plan einer Umbildung des Kabinetts Himmlers Unterstützung zu erhalten. Wie er ihr aufgeregt erzählte, würde die Umbildung etwa so aussehen: Der Führer würde sich auf die Aufgaben des Staatsoberhauptes beschränken; Goebbels würde Reichskanzler und dazu die Tätigkeit des Außenministers übernehmen; Himmler würde den Oberbefehl über die Streitkräfte bekommen, und Bormann – recht und schlecht– würde Minister für die Partei werden. Goebbels glaubt, daß es sehr schwierig sein würde, die Unterstützung Bormanns für diesen Plan zu gewinnen, aber die Aussichten bei Himmler könnten gut sein. Hitler wird in diesem Zusammenhang nicht erwähnt.
    Seine Erläuterung dieses Planes fand vor dem Hintergrund von Begleitmusik statt. Wir essen immer zu Abend, während das Radio leise spielt. Während Goebbels überschwenglich von seiner neuen Stellung schwärmte, sang im Radio ein Tenor das Lied von Lehár »Greif nicht nach den Sternen, mein Liebling«.
    Ich konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. Frau Goebbels lachte laut, aber Goebbels gefiel der Scherz nicht. Er hatte keinen Sinn für diese Art von unpassendem Humor. Er sagte zu dem Adjutanten: »Stellen Sie das Ding ab.« Und das war das Ende der Geschichte von der Kabinettsumbildung.
     
    Berlin/Propagandaministerium Dr. Karl Hermann Franz Scharping *1908
    Die immer mehr zunehmende Wirkung der englischen und amerikanischen Luftangriffe auf deutsche Städte liess Hitler und seine engeren Ratgeber nach drastischen Vergeltungsmassnahmen suchen. Dr. Goebbels sprach auch hierüber häufig von Herbst 1944 ab in seiner sogenannten »Ministerkonferenz«, bei der zahlreiche Beamte und Sachbearbeiter seines Ministeriums versammelt waren und in der auch ich in der Regel anwesend war. Dr. Goebbels hat hierbei ausgeführt, es sei nichts mehr dagegen einzuwenden, wenn abgeschossene Besatzungsmitglieder der Wut des Volkes preisgegeben würden. Zunächst formulierte Dr. Goebbelsdiese Ansicht noch zurückhaltend. Bald wurden Anspielungen dieser Art aber deutliche Drohungen. Diese erreichten ihren Höhepunkt nach den schweren Angriffen auf Dresden im Februar 1945. Ich erinnere mich genau, wie Dr. Goebbels die furchtbaren Folgen dieser Angriffe schilderte und eine »einzigartige« Vergeltungsmassnahme in Aussicht stellte. Diese ergab sich daraus, dass er an Hans Fritzsche als dem Leiter der Rundfunkabteilung die Anweisung gab, in den Auslandssendungen Kommentare zu veranlassen, die für die Luftangriffe auf Dresden die Erschiessung von 40000 englischen und amerikanischen Kriegsgefangenen ankündigen sollten. Dr. Goebbels erklärte, diese Massnahme sei von Adolf Hitler ausdrücklich befohlen worden, die Durchführung solle aber nicht ohne Ankündigung erfolgen. Bei dieser Aufforderung an Fritzsche machte dieser sofort Einwendungen, Goebbels hörte aber nicht darauf, sondern er warf Fritzsche in einem Wutanfall nur vor, er sei eben kein alter Parteigenosse und habe ersichtlich den nationalsozialistischen Geist noch immer nicht begriffen. Fritzsche erklärte daraufhin unter bedrückender Stille der ganzen Zuhörerschaft, eine solche Erschiessung könne er unter keinen Umständen mitverantworten und er werde sie deswegen im Rundfunk nicht ankündigen. Die Entschiedenheit und Eindringlichkeit dieser Erklärung Fritzsches machte auf Goebbels ersichtlich starken Eindruck. Er brach sofort die Konferenz ab und liess Fritzsche zu sich kommen. Fritzsche gab mir unmittelbar nach seinem privaten Gespräch mit Goebbels noch in grösster Erregung dasjenige wieder, was Goebbels ihm mitgeteilt hatte. Der Befehl sei tatsächlichgegeben, aber es sei noch kein Termin hierfür bestimmt worden. Goebbels habe erneut verlangt, dass dieser Befehl angekündigt werden sollte. Fritzsche und ich waren über die weitere Ablehnung dieser Massnahme einer Meinung. Um jeden Fehler zu vermeiden, wies ich deswegen sofort sämtliche Rundfunkredaktionen an, Kommentare über die Luftangriffe auf Dresden erst nach ausdrücklicher Freigabe durch Fritzsche zu bringen. Wir hofften damit Zeit zu gewinnen, weiter gegen diesen Plan zu arbeiten.
    Fritzsche bemühte sich sofort weiter durch telefonische und mündliche Rücksprachen mit dem Vertreter der Parteikanzlei im Propagandaministerium, durch Rücksprachen mit anderen verantwortlichen Männern und, wenn ich mich richtig erinnere, auch durch

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