Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition)

Was war das für ein Haus? Ich sagte ihm: Das war eine Schule, die in ein Lazarett umgewandelt worden war. Er sagte nur: Ich muß meine Frau begraben. Das kann ich auch hier tun. Später sah ich, wie sie ein flaches Grab aushoben. Es gab keine Särge, und der Mann schien fremd in der Stadt zu sein.
     
    Dresden Eine Dresdnerin
    Um ihnen die Beerdigung im Massengrab zu ersparen, hat meine Schwägerin erst ihren Vater mit einem Handwagen aus den Trümmern geholt, um später die Mutter nachzuholen. Doch hatte dann inzwischen ein Räumkommando die Leichen weggebracht. So sind die meisten der umgekommenen Menschen nie mehr aufgefunden worden, und die amtlichen Totenbescheinigungen lauteten auf umgekommen in Dresden am...
     
    Paris Der Pastor Marc Boegner 188 1–1970
    Schreckliche Luftangriffe auf Dresden, das von den sowjetischen Armeen nun so direkt bedroht wird wie Berlin, Danzig und Stettin. Meinungsverschiedenheiten über die Konferenz von Yalta. Darüber ist man hier ziemlich böse... Ganzoffensichtlich schenken uns unsere Freunde weniger Beachtung als 1815 unsere Feinde.
    Man hat dementiert, daß Roosevelt in Frankreich haltmachen sollte, und ich habe erfahren, daß de Gaulle sich geweigert hat, ihn in Algier zu treffen.
     
    (London) Len Jones
    Man haßte Deutschland, man haßte die Deutschen, eine schlimme Sache, wirklich ein schreckliches Gefühl. Ich sehe es nur als sadistisch jetzt, aber man muß verstehen, es war eine Desensibilisierung moralischer Werte. Weil es da dieses überwältigende Gefühl gab, bei jedem, der daran beteiligt war, Rache. Ein Teil von mir haßte den Gedanken, daß deutsche Städte zerstört werden, weil es wunderschöne Plätze waren, ich liebte die deutsche Architektur, aber zu diesem Zeitpunkt bemerkt man, daß sich der ganzer Charakter verändert und man möchte sie bestrafen. Man fragt sich, wohin am Ende diese ganze Verrücktheit führen wird.
     
    Sheffield Die Angestellte Nancy Usher *1902
    Las heute morgen in der Zeitung über das Verhalten der Japaner, und Manilla brachte mich auf die Seite der Extremisten, die sagen, jeder Deutsche und jeder Japaner muß ausgelöscht werden. Ist es möglich, solchen Leuten beizubringen, daß sie Unrecht haben und sie zum Rechten zu erziehen? Manchmal glaube ich, es geht.
     
    Reigate Ein Unbekannter
    Wachte vor vier Nächten von einem fürchterlichen Knall auf, der das Haus erschütterte und offensichtlichvon einer V 2 herrührte. Aber der einzige Ort, von dem ich hörte, daß dort eine runtergekommen war, war Ashtead, und das liegt ungefähr 10 Meilen von hier entfernt. Als ich gestern abend badete, hörte ich wieder einen Knall, aber diesmal nicht so laut.
    In dieser Woche hörte ich einen Buchfink, der sang, und heute zum ersten Mal in diesem Jahr in Dorking eine Lerche.
    Wie werden wir in der Lage sein, nach dem Krieg 57 Millionen Pfund pro Jahr an Beihilfen für die Kinder zusätzlich zu all den anderen ungeheuren Sozialausgaben zu zahlen? Wird eine Inflation unvermeidbar sein?
     
    Monschau Hanny Merkens 1903–1954
    Ich muß versuchen, an irgendeine Küche zu gehen, um mir das Essen zu erbetteln, denn ich habe nichts mehr... Abends. Ich bin heute an einer Küche gewesen, aber es wurde mir gesagt, daß das übrige Essen ausgeschüttet werden muß und kein Deutscher etwas davon bekommen soll. Ich bin sehr erschüttert nach Hause gegangen. Wie weit gehen menschliche Irrungen. Woher soll ich etwas zu essen bekommen? Einige Tage kann ich es ohne Essen aushalten, aber was dann? Es muß ein Wunder geschehen!
     
    Berlin Adolf Hitler 1889–1945
    Politisches Testament
    Ich habe weder Frankreich noch die Franzosen je geliebt, und ich habe daraus niemals ein Hehl gemacht. Und doch anerkenne ich, daß es unter ihnen bedeutende Persönlichkeiten gibt. Es steht außer Zweifel,
    daß zahlreiche Franzosen in diesen letzten Jahren voller Aufrichtigkeit und mit großem Mut alles für Europa aufs Spiel gesetzt haben. Der blindwütige Haß, mit dem ihre eigenen Landsleute sie für ihre hellsichtige Überzeugung bezahlen ließen, beweist die Lauterkeit dieser ihrer Zeit vorauseilenden Persönlichkeiten.
     
    Kirchhorst Ernst Jünger 1895–1998
    Vormittags am Schreibtisch, während die Batterien feuerten und starke Geschwader über das Haus brausten. Die Scheiben, die Türen, die Gläser in den Schränken, die Bilder an den Wänden tanzen und zittern dann wie in einem Schiff bei starkem Seegange.
    Nachmittags nahm ich Alexander, um ihm ein wenig die Augen