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Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition)

Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition)

Titel: Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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Zahlen von Vermißten beziehen sich nicht auf »innerhalb« der Kirche umgekommene, sondern auf die Häuser und Keller »an« der Frauenkirche. Die Kuppel ist nach einwandfreien Augenzeugenberichten erst am Donnerstag, dem 15. Februar 1945, vormittags gegen 10.15 Uhr, in sich zusammengesunken. Ursache war die stundenlange enorme Hitzeeinwirkung bis zu 2000 Grad. Nach fachmännischem Urteil verträgt der Sandstein höchstens bis zu 1000 Grad.
     
    Dresden Otto Griebel 1895–1972
    Wir schrieben den 15. Februar 1945. Um einiges Nötige aus Gostritz zu holen, brachen Grete Fraaß, deren Geschwister, unsere Buben und ich am Vormittag auf und luden einen großen Handwagen voll, mit dem wir gegen Mittag nach Bannewitz zurückzukehren gedachten.
    Zuvor aber statteten wir Erich Fraaß, der im Keller der
    Strehlener Schule als Sanitäter einen unermüdlichen und schweren Dienst verrichtete, unseren Besuch ab. Fast ohne zu essen oder zu ruhen, half hier der wakkere Malerkollege ebenso selbstlos wie der leitende Arzt dieser Rettungsstelle.
    Es war erschütternd, was man an diesem Ort zu sehen bekam. Alte Mütterchen, denen die Kleider buchstäblich vom Leibe gesengt waren, wankten heran. Manche waren ganz oder halb erblindet. Schwere Brandwunden an den Gliedmaßen gehörten zu den Hauptfällen der Hilfesuchenden. Niemand wußte vom Schicksal seiner allernächsten Angehörigen, und die, die darum wußten, schluchzten nur, denn mit ihren vom Feuer verätzten Augen vermochten sie nicht einmal mehr zu weinen.
    Man lud ein halbverbranntes junges Mädchen aus einem Rollstuhl, bald danach einen bindenumwickelten, ohnmächtigen Knaben. Das ganze Schulhaus und dessen Keller lagen voller Opfer der vergangenen schrecklichen Bombennächte.
    So sehr ich mich gefreut hatte, meinen Freund Erich Fraaß wiederzusehen, so sehr drängte es mich doch wiederum, von Strehlen wegzukommen; die Luft war mir nicht geheuer. Ich fühlte das mit dem wieder wachgewordenen alten Frontsoldatensinn und schalt die gute Grete Fraaß beinahe, als sie allerlei Unterhaltungen am Straßenrande begann.
    Tatsächlich waren wir mit unserem Wagen auch noch gar nicht richtig aus Gostritz raus, als der Anflug feindlicher Bomberverbände gemeldet wurde. Zuerst schien es uns ausreichend, Zuflucht in einer Kuhle am Wege zu finden. Vor Tieffliegern aber war dieser Platz
    keinesfalls sicher, weshalb ich vorschlug, in einem Nadelholzdickicht abzuwarten. Das Dickicht erwies sich aber als schon ziemlich besetzt von Mockritzer Flüchtlingen, die obendrein noch schimpften, als sie uns herankommen sahen, weil sie bangten, die feindlichen Flieger würden das bemerken.
    Dann mit einem Male setzte wieder jenes unheimliche Rauschen in der Luft ein. Unsere Bannewitzer Gastgeberin krallte die Hände in den Boden, und etliche neben mir schrien vor Schreck. Die Detonationen erfolgten weit vor uns, aber auch über uns, an der Straße. Neue Bomberwellen orgelten heran. Wieder rauschte es, und ich sah die Qualmwolken der Einschläge jenseits des Elbtales auf den Loschwitzer Höhen emporspritzen. Wie unendlich lange eine Stunde unter solchen nervenzerfressenden Umständen dauert!
    Erst nachdem alles Motorengeräusch in der Luft verstummt war, erhoben wir uns aus unserem Versteck. Wir beobachteten mehrere Leute, die an den Rand der Fichtenschonung liefen, wo, höchstwahrscheinlich in der Frühe dieses Tages, ein alter Mann seinem Leben durch Erhängen ein Ende bereitet hatte.
    Als wir nachher den Nöthnitzer Berg hoch liefen, rauchte noch mitten auf der Straße eine Zielabsteckbombe, und wir erblickten große, frische Sprengtrichter in den Feldern, während von Neustadt und von Loschwitz drüben Brandqualm dick in den trostlos grauen Himmel stieg.
    Wir konnten die Feuersbrünste im Stadtgebiet von unserem Bodenfenster aus nach Einbruch der abendlichen Dunkelheit beobachten. Noch von der unseligenFastnacht her schwelten die Brände und hielten tagelang an, bis die Flammen alles vernichtet hatten, was sie nur zu erreichen vermochten.
     
    Dresden Katharina Tietze
    Ich ging auf die Wassersuche und fand nach einigen vergeblichen Versuchen und vielem Fragen – es irrten ja allerhand Menschen zwischen den Trümmern herum – noch einen Brunnen mit Trinkwasser im Krankenhausgarten Fürstenstraße. Sogar eine Wasserflasche ließ mein guter Stern mich erspähen. Diese spülte ich möglichst gut ab und aus, säuberte mich selbst bei der Gelegenheit etwas und eilte mit dem kostbaren Naß zurück zu Vater,

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