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Der Rote Krieger: Roman (German Edition)

Der Rote Krieger: Roman (German Edition)

Titel: Der Rote Krieger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miles Cameron
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übergab sie seinem Knappen. Seine Hüften schmerzten, und sobald er sich von dem Metall ganz befreit hatte, fühlte er sich so leicht, als könnte er wegfliegen.
    Noch während sie die Vorräte für die untere Burg aufstockten, trafen weitere Kaufleute ein. Manche waren über die Behinderung des Handels wütend, andere hatten ohne Zweifel Angst. Der Hauptmann begab sich wieder den Hügel hinunter und verschwendete den Morgen damit, die Neuankömmlinge zu beruhigen. Er riet ihnen, eine Abordnung hoch zur Äbtissin zu schicken.
    Dann kletterte er selbst wieder zur Festung hinauf und vergrub sich in der Kommandantur, einer kleinen Zelle mit einer Tür, die auf den Hof hinausführte, sowie mit zwei Bogenfenstern, die durch eine kannelierte Säule getrennt waren. Die offenen Fenster ließen die Frühlingsluft herein, in der der Duft von Wildblumen und Jasmin lag. Über die niedrigeren Hügel konnte er fünfzehn Meilen weit nach Osten sehen.
    Heute wandte er sich nicht den Pergamentrollen voller Berechnungen zu, die auf ihn warteten, sondern schnallte sein Schwert ab, hängte es an einen mannshohen Kerzenleuchter und stützte sich mit den Ellbogen auf dem linken Fenstersims ab.
    Stiefelschritte kündigten das Kommen Michaels an. »Eure Rüstung«, sagte der junge Mann leise.
    Der Hauptmann drehte sich um und sah zwei Bogenschützen mit einem schweren Weidenkorb, während sein Diener den Arm voller zurechtgeschnittener Hölzer hatte. Die Bogenschützen stritten sich darum, welcher Zapfen in welche Bohrung gehörte, und der Diener gab ihnen lässig und mit unbeteiligter Miene stets das richtige Holz, auch wenn die Schützen um das falsche baten. Bevor die Sonne einen Fingerbreit weitergewandert war, hatten sie einen Ständer für die Rüstung des Hauptmanns aufgestellt. Das Gestell war ein wenig größer als er selbst, und Michael hängte nun die Rüstungsteile vorsichtig an das hölzerne Gebilde. Ein gutes Gestell konnte einem Kämpfer wertvolle Minuten beim schnellen Anlegen der Rüstung verschaffen. Und da jeder Zoll der Festung inzwischen mit Soldaten und Flüchtlingen belegt war, diente das Kommandozimmer des Hauptmanns gleichzeitig auch als sein Schlafzimmer.
    Als die Bogenschützen und der Diener das Zimmer verließen und der Aufruhr ein Ende gefunden hatte, kehrte der Hauptmann zu seinem Fenster zurück.
    »Ist das alles, Ser?«, fragte Michael.
    »Gut gemacht, Michael«, meinte der Hauptmann.
    Der junge Mann zuckte zusammen, als ob er gebissen worden wäre. »Ich … das heißt.« Er lachte. »Euer Diener Jacques hat das meiste getan.«
    »Es ehrt dich noch mehr, dass du ihm die Ehre lässt«, bemerkte der Hauptmann.
    Kühner geworden, trat Michael sehr langsam vor und beugte sich aus dem rechten Fenster. Sein schleichender Gang war dem der Konventskatze, die der Hauptmann am Morgen beim Stibitzen eines Stücks Käse beobachtet hatte, nicht unähnlich. Er lächelte. Michael brauchte genauso lange, sich im Fenster niederzulassen, wie die drei Männer zum Aufstellen des Ständers benötigt hatten. »Wir sind jetzt ausreichend mit Nahrungsmitteln versorgt«, sagte Michael vorsichtig.
    »Hm. Kein Kommandant, dem eine Belagerung bevorsteht, hält sich für ›ausreichend mit Nahrungsmitteln versorgt‹«, meinte der Hauptmann.
    »Und jetzt warten wir ab?«, fragte Michael.
    »Bist du ein Knappe oder ein Hauptmannslehrling?«, fragte der Hauptmann.
    Michael richtete sich auf. »Ich verstehe nicht, Ser.«
    Der Hauptmann grinste schelmisch. »Ich habe nichts gegen eine kluge Frage, vor allem dann nicht, wenn sie mir beim Nachdenken hilft. Und ich muss nachdenken, junger Michael. Die Pläne kommen mir nicht voll entwickelt in den Sinn. Als Nächstes werden wir eine mächtige Magie benutzen – etwas Schweres, Ernstes und Gewaltiges. Die Archaiker haben sie oft eingesetzt. Alle Geschichtsschreiber erzählen von ihr, aber in den Romanen und Ritterepen wird sie nie erwähnt.«
    Michael zog ein Gesicht, das dem Hauptmann deutlich machte, dass das Interesse seines Knappen nicht so leicht zu ködern war.
    »Was soll das für ein Zauberspruch sein?«, fragte Michael.
    »Kein Zauberspruch«, entgegnete der Hauptmann. »Aber es ist trotzdem eine Art Magie. Wir haben Nahrungsmittel und Waffen, wir haben die Befestigungsanlagen verstärkt, und der Feind steht noch nicht vor den Toren. Was also sollen wir jetzt tun?«
    »Den Rest der Bauern in die Festung holen?«, meinte Michael.
    »Nein, das ist schon geschehen.«
    »Wälle vor der

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