Der Rote Krieger: Roman (German Edition)
Pflichten behindert hat. Die Dinge sind nicht so gelaufen, wie ich es mir an einem Abend wünschen würde, an dem ich ein gewagtes Spiel treibe.« Er hielt inne und berichtete dann, was in ihm umging. »Ich mag es nicht, wenn man mit mir spielt.«
Die Äbtissin nahm ihren Rosenkranz aus Onyx auf und richtete ihr Brusttuch. »Das mag niemand«, meinte sie herablassend. »Der Ausdruck Spiel gefällt mir in diesem Zusammenhang nicht«, sagte sie. »Aber vielleicht können wir ein wenig Gutes bewirken und durch unsere Gegenwart das Würfelspiel und die Entjungferung verhindern, um die Ihr Euch so große Sorgen gemacht habt. Kommt, Hauptmann, wir begeben uns mitten unter die uns Anvertrauten.«
Sie gingen hinaus, und wie eine Lady legte ihm die Äbtissin die Hand auf den Arm. Eine verschleierte Schwester kam herbei und trug ihr die Schleppe, die länger und kostbarer verziert war als die der anderen Schwestern in diesem Konvent. Der Hauptmann vermutete, dass ihr Habit weit entfernt war von den Vorschriften, denen sich die Schwestern des Ordens vom heiligen Thomas unterwerfen mussten. Sie war eine reiche und mächtige Frau, und irgendwie war sie in sein Leben getreten.
Als sie den Hof betraten, verstummten alle Gespräche. Ein Kreis aus Tänzern bewegte sich zu der Musik von zwei Flöten und einem Psalter, der von niemand anderem als dem Knappen des Hauptmanns gespielt wurde. Die Musikanten spielten weiter, aber die Tänzer blieben stehen. Die Äbtissin nickte ihnen aufmunternd zu, und der Tanz wurde fortgesetzt.
»Wann werden sie uns angreifen?«, fragte die Äbtissin leise.
»Nie, wenn es nach meinem Willen geht«, antwortete der Hauptmann freundlich.
»Verdient Ihr Euer Geld lieber ohne Kampf?«, fragte sie.
»Immer«, antwortete er und verneigte sich tief vor Amicia, die den Tänzern zusah. Sie antwortete mit einem kühlen Nicken. Doch er hatte sich gegen sie gewappnet und sprach nun ohne Pause weiter. »Aber ich gewinne auch gern. Und Gewinnen erfordert meist gewisse Anstrengungen.«
»Die Ihr natürlich unternehmen werdet?«, fragte sie und lächelte. »Wir unterhalten uns so ungezwungen, dass ich für diese kleine Tändelei wohl Buße leisten muss.«
»Ihr habt eine Gabe dafür, die Euch viele Bewunderer eingebracht haben muss«, sagte er galant.
Sie schlug ihm mit ihrem Fächer gegen die Hand. »In den alten Zeiten, als ich noch jung war, meint Ihr?«
»Wie alle schönen Frauen versucht Ihr, meine Schmeichelei wie eine Beleidigung klingen zu lassen«, gab er zurück.
»Haltet ein. Jedermann kann uns hier sehen.« Sie nickte Pater Henry zu, der zögernd zwischen der Kapelle und der Treppe zur Großen Halle stand.
Der Hauptmann hatte den Eindruck, dass der Mann vor Feindseligkeit geradezu kochte. Vor einem Jahr hatte der Hauptmann in einer seiner ersten Amtshandlungen nach dem Ergreifen des Kommandos einen Mörder in seiner Truppe hinrichten lassen – einen Bogenschützen, der seine Kameraden für deren Sold umgebracht hatte. Torn war ein unscheinbarer Mann gewesen, ein Gesetzloser. Der Hauptmann betrachtete den Priester eingehend. Er zeigte denselben Blick wie Torn damals. Eigentlich war es gar kein Blick, sondern eher ein Gefühl. Ein Geruch.
»Pater Henry, ich glaube, Ihr seid dem Hauptmann noch nicht förmlich vorgestellt worden.« Sie lächelte, und in ihren Augen blitzte es. Es war eine Erinnerung an die Frau, die sie einst gewesen war und die genau wusste, dass ein Blitzen ihrer Augen jeden ihrer Bewunderer zum Gehorsam brachte. Es war das Bild einer Jägerin, der es gefiel, mit ihrer Beute zu spielen.
Pater Henry streckte ihm seine lange Hand entgegen. Sie war feucht und kalt. »Seine Männer nennen ihn den Bourc. Habt Ihr einen anderen Namen, den Ihr bevorzugt?«
Der Hauptmann war so sehr an unbedeutende Feindseligkeiten gewöhnt, dass es einen Moment dauerte, bis er diese hier überhaupt wahrgenommen hatte. Nun richtete er seine ganze Aufmerksamkeit auf den Priester.
Die Äbtissin schüttelte den Kopf und drückte gegen den Ellbogen des Priesters. »Wie dem auch sei, ich werde später mit Euch sprechen. Jetzt dürft Ihr gehen, Ser. Ihr habt meine Erlaubnis.«
»Ich bin ein Priester Gottes«, sagte er. »Ich gehe, wann und wohin ich will, und ich bin hier niemandes Diener.«
»Ihr seid Tom Schlimm noch nicht begegnet«, bemerkte der Hauptmann.
»Irgendwie kommt Ihr mir bekannt vor«, fügte Pater Henry hinzu. »Kenne ich vielleicht Eure Eltern?«
»Ich bin ein Bastard, wie Ihr schon
Weitere Kostenlose Bücher