Der Rote Krieger: Roman (German Edition)
Kleidung ihrer Herrin aus und machte sich an die gewaltige Aufgabe, ihre Schuhe aufzuheben.
Desiderata hatte eine Schriftrolle, ein Kassenbuch und einen Bleistift mit Silberkappe auf den Knien und schrieb hastig etwas nieder. »Warum machen sie die Karrenräder nicht alle gleich groß?«, fragte sie.
Diota zog eine Grimasse. »Weil die Stellmacher ihre Maße nicht miteinander teilen, Herrin.«
Desiderata richtete sich auf. »Wirklich?«
Diota schnalzte noch einmal und suchte nach einem zweiten Hausschuh aus Damast. »Jeder Stellmacher hat seine eigenen Maße, die er für gewöhnlich von seinem Vater oder Großvater geerbt hat. Einige bauen ihre Karren nicht breiter als die schmalste Brücke. Ich bin im Hochland aufgewachsen, wo die Orchideenbrücke die schmalste im Land war, und niemand hätte dort einen Wagen gebaut, der breiter wäre als sie, und kein Stellmacher …«
Desiderata gab einen Laut der Ungeduld von sich. »Ich habe dich verstanden. Aber Militärwagen …« Sie schüttelte den Kopf. »Es gibt keine Militärwagen. Wir haben Vasallen, die uns ihre Wagen leihen. Sie erhalten ihre Gehöfte dafür, dass sie uns einen Wagen und einen Fahrer stellen. Kannst du dir etwas Unpraktischeres vorstellen? Wenn ihr Wagen zusammenbricht, hat der König das Nachsehen.« Sie kaute an ihrem silbernen Bleistift herum. »Er braucht einen eigenen Wagenzug. Karren müssen für den Krieg gebaut werden, und die Wagenmacher müssen dafür bezahlt werden.« Schnell schrieb sie etwas auf.
»Ich könnte mir vorstellen, dass das zu teuer ist, Mylady«, sagte Diota.
Desiderata schüttelte den Kopf. »Weißt du, was es kostet, die Räder eines Wagens zu reparieren? Der Krieg muss nicht unbedingt so teuer sein.«
»Ihr bringt mich zum Lachen, Mylady«, sagte Diota. Nun hatte sie beide roten Kalbslederschuhe gefunden – was für sich genommen bereits einem Wunder gleichkam – und steckte Spanner in alle Schuhe, damit sie in Form blieben.
Desiderata schenkte ihrer Magd ein Lächeln, um das die Knappen bei Hofe kämpfen mussten. »Ich bringe dich zum Lachen, meine Liebe?«
»Ihr seid die Königin der Schönheit, habt den Kopf voller Romanzen und Sternenschimmer, und jetzt wollt Ihr einen Versorgungszug organisieren.« Diota schüttelte den Kopf.
»Ohne Futter und Nahrungsmittel sind ein Ritter und sein Pferd wertlos. Wenn wir wollen, dass sie Ruhm erringen, müssen sie angemessen gefüttert werden.« Sie lachte. »Du glaubst, mein Kopf sei voller Sternenschimmer, Magd! Schau doch bloß mal in den Kopf eines jungen Mannes. Ich wette, dass die Hälfte der Burschen, die versuchen, mich mit ihren Blicken auszuziehen und darum kämpfen, mir die Hand küssen zu dürfen, zu großen Taten ausziehen würden, ohne auch nur einen Futtersack für ihre Schlachtrösser mitzunehmen. Und an ein Öltuch für die Pflege ihrer Klinge denken sie gewiss genauso wenig wie an einen Wetzstein oder an Werkzeug zum Feuermachen.« Sie warf den Kopf herum und schüttelte ihre Haarmähne. »Ich habe die Ritter mein ganzes Leben lang beobachtet. Die Hälfte sind gute Kämpfer, aber nur etwa ein Zehntel von ihnen geben fähige Soldaten ab.«
Diota machte eine Grimasse. »Männer! Was muss man dazu sonst noch sagen?«
Desiderata lachte und nahm eine zweite Schriftrolle auf. »Ich komme mit meinen Plänen für das große Turnier allmählich weiter. Bald wird der König fast all seine Ritter hier versammelt haben, und deshalb werde ich das Datum um einen Monat verschieben. Der vierte Sonntag nach Pfingsten ist keine schlechte Zeit für ein so großes Schauspiel. Dann sind die Felder bestellt, und nur das Heu muss noch eingebracht werden.«
»… nach Pfingsten – der Viehmarkt zu Lorica«, sagte Diota.
Desiderata seufzte. »Natürlich!« Sie verzog das Gesicht. »Verflixt.«
»Dann haltet das Turnier doch in Lorcia ab.«
»Hm«, überlegte Desiderata laut. »Das wäre sehr gut für die Stadt und auch gut für unsere dortigen Beziehungen, denn sie würden einen großen Gewinn erzielen. Aber soweit ich weiß, musste mein Gemahl in Lorica einige Zugeständnisse machen.«
»Weil Euer vollendeter Ritter die Zwei Löwen niedergebrannt hat«, spuckte Diota aus. »Ausländischer Dreck!«
»Zofe!« Desiderata warf ein Kissen nach ihr und traf sie am Hinterkopf.
»Er ist ein Rüpel in Rüstung.«
»Angeblich ist er der beste Ritter der Welt«, rief die Königin. »Du darfst ihn nicht nach allgemeinen Maßstäben …«
»Beim guten Christus«, unterbrach
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