Der Rote Krieger: Roman (German Edition)
vorbei, der rechts neben einer langen Anhöhe lag, während der große Fluss weiter links von ihnen lag.
Manchmal folgten sie Pfaden durch die Wildnis, manchmal auch nur dem Verlauf des Geländes, und ganz allmählich ergab ihr Weg für Peter einen Sinn. Sie folgten einem relativ geraden Kurs nach Westen und vermieden dabei den Fluss. Er hatte keine Ahnung, wie zahlreich sie waren, und konnte sie nicht einmal zählen, als sie zur Nacht anhielten, denn sie legten sich einfach in mehreren Haufen aus Körpern und Gliedern auf den Boden. Niemand hatte ein Laken oder eine Decke, nur wenige trugen Hemden, und die Nacht war kalt. Peter hasste es, vorn und hinten von anderen berührt zu werden, aber seine Abscheu war im Schlaf rasch vergessen.
Im regnerischen Grau der Zeit kurz vor Tagesanbruch bot er Ota Qwan ein wenig altbackenes Brot an, der es dankbar ergriff, einen kleinen Bissen nahm und die Kruste weiterreichte. Die Männer beäugten das Brot gierig, aber niemand beschwerte sich, als es vertilgt war, ohne dass jeder etwas davon erhalten hätte. Auch Peter hatte keinen Bissen abbekommen. Eigentlich hatte er erwartet, dass man es ihm zurückgab. Er zuckte nur die Achseln.
In der zweiten Nacht, die er zusammen mit den bemalten Menschen verbrachte, konnte er überhaupt nicht mehr schlafen. Es regnete leicht. Das Gefühl nasser, bemalter Haut an seiner eigenen verursachte ihm eine Gänsehaut. Darum sonderte er sich von den anderen ab. Doch schließlich kroch er angewidert zu ihnen zurück, weil er fast erfroren wäre.
Der nächste Tag war eine Qual. Die ganze Gruppe bewegte sich nun schneller. Sie kamen an eine Wiese, die von aderähnlichen Kanälen durchzogen wurde. Diese Kanäle waren so breit, wie der ausgestreckte Arm eines Mannes lang war, und die bemalten Menschen sprangen mit Leichtigkeit hinüber, während Peter mehrmals ins Wasser fiel. Stets aber wurde ihm eine helfende Hand gereicht, auch wenn es unter dröhnendem Lachen geschah.
Die Bemalten trugen geschmeidige, dünne Lederschuhe, die oft von derselben Farbe wie ihre Körperbemalung waren, sodass er sie zuerst gar nicht bemerkt hatte. Seine eigenen billigen Sklavenschuhe zerfielen allmählich, und die große Wiese war mit spitzen, harten Auswüchsen übersät, die geradewegs aus dem Boden hervorsprossen. Er verletzte sich mehrfach die Füße, und wieder wurde ihm unter Gelächter geholfen.
Nun humpelte er stark, war erschöpft und sich seiner Umgebung überhaupt nicht mehr bewusst. Daher wäre er fast gegen Ota Qwan geprallt, als dieser plötzlich stehen blieb.
Kaum eine Pferdelänge von ihm entfernt stand eine Gestalt wie aus einem Albtraum – ein wunderschönes Ungeheuer, so groß und schwer wie ein Ackergaul, mit einem gepanzerten Kopf wie ein behelmter Engel, mit einem Adlerschnabel statt eines Mundes und matten Augen von der Farbe frisch geschmiedeten Eisens. Es hatte Schwingen, die zwar klein, aber herzzerreißend schön waren.
Peter konnte es nicht ansehen. Zum dritten Mal in genauso vielen Tagen war er so erschrocken, dass er nicht mehr in der Lage war, klar zu denken.
Ota Qwan legte ihm eine beruhigende Hand auf die Schulter.
Skadai hob die Hand. »Lambo!«, sagte er.
Das Ungeheuer grunzte und hob eine krallenbewehrte Klaue.
Nun bemerkte Peter, dass seine linke Klaue mit Leinen umwickelt war. Es wirkte wie die Bandage bei einer verletzten Menschenhand.
Erneut grunzte das Ungeheuer – falls es etwas sagte, waren seine Töne so tief, dass Peter sie nicht verstehen konnte. Und schon war es im Unterholz verschwunden. Skadai drehte sich um und hob seinen Bogen. »Gots onah!«, brüllte er.
Überall um sie herum ertönte zur Antwort ein Brüllen, und Peter stellte erstaunt fest, dass sich in seiner unmittelbaren Nähe Dutzende, vielleicht sogar an die hundert bemalte Krieger befanden.
Er packte Ota Qwan am Arm. »Was … was war das?«, fragte er.
Ota Qwan schenkte ihm ein schiefes Lächeln. »Das war das, was die Menschen einen Adversarius nennen«, sagte er. »Ein Wächter der Wildnis.« Er sah Peter einen Augenblick lang an. »Das ist ein Dämon, kleiner Mann. Willst du noch immer einer von uns sein?«
Peter holte Luft, was nicht ganz einfach war. Seine Kehle war wieder wie zugeschnürt.
Ota Qwan legte ihm den Arm um die Schulter. »Die kommende Nacht werden wir in einem richtigen Lager verbringen. Vielleicht können wir uns dann unterhalten. Bestimmt hast du Fragen. Ein bisschen was weiß ich.« Er zuckte die Achseln. »Ich lebe gern
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