Der Rote Krieger: Roman (German Edition)
aufgerichtet und Phantasmata mit der Unbekümmertheit eines wesentlich jüngeren Mannes gewirkt.
In gewisser Weise war es wunderbar gewesen.
Junge Magier haben Energie, alte haben Geschick. Irgendwo im Zwischenraum von Jung und Alt liegt der größte Moment eines jeden Zauberers. Harmodius hatte angenommen, dass der seine vor zwanzig Jahren gewesen war, doch in der letzten Nacht hatte er einen Feuervorhang ausgeworfen, der fünf Achtelmeilen lang gewesen war, und er hatte ihn auf seinem galoppierenden Pferd wie eine dämonische Pflugschar vor sich hergeschoben.
»Ha!«, sagte er laut.
Eine Stunde nachdem er die Feuerklinge gelöscht hatte, war er einem Fremden auf einem ebenfalls erschöpften Pferd begegnet, der ihn mit wachsamen Augen beobachtet hatte.
Harmodius hatte sein Pferd gezügelt. »Was gibt es Neues?«, hatte er gefragt.
»Albinkirk«, hatte der Mann gekeucht. Mit einem moreanischen Akzent. »Nur die Burg hält stand. Ich muss es dem König berichten. Die Wildnis hat zugeschlagen.«
Harmodius hatte sich über den Bart gestrichen. »Steigt einen Augenblick ab. Wäret Ihr bereit, dem König auch eine Botschaft von mir zu überbringen?«, hatte er gefragt und dann hinzugefügt: »Ich bin der Magus des Königs.«
»Und ich bin Ser Alcaeus Comnena«, hatte sich der dunkelgesichtige Mann vorgestellt und das Bein über den Rumpf seines Pferdes geworfen.
Harmodius hatte ihm ein wenig süßen Wein gegeben und erfreut zugesehen, wie sich der fremde Ritter um sein Pferd kümmerte; er hatte es abgerieben und seine Beine überprüft.
»Wie ist die Straße?«, hatte der Ritter gefragt.
Harmodius hatte sich einen Augenblick der Befriedigung gegönnt. »Ich glaube, Ihr werdet sie passierbar finden. Alcaeus? Ihr seid der Vetter des Kaisers.«
»Allerdings«, hatte der Mann gesagt.
»Seltsam, Euch hier zu treffen«, hatte Harmodius gesagt. »Ich habe einige Eurer Werke gelesen.«
»Ich erröte, doch Ihr könnt es nicht sehen. Ihr müsst Lord Harmodius sein, und ich habe alles gelesen, was Ihr über die Vögel geschrieben habt.« Er lachte ein wenig wild. »Ihr seid der einzige Barb… der einzige Ausländer, dessen Hocharchaisch je bei Hofe laut vorgelesen wird.«
Harmodius hatte ein Werlicht entzündet und wie wild eine Botschaft geschrieben. »Ach ja?«, hatte er dabei geistesabwesend gefragt.
»Aber seit fünf Jahren habt Ihr nichts mehr geschrieben, oder? Oder seit zehn?« Der jüngere Ritter hatte den Kopf geschüttelt. »Es tut mir leid, Mylord. Ich hatte Euch für tot gehalten.«
»Das ist auch nicht ganz falsch. Hier, übergebt das dem König. Ich gehe nach Norden. Sagt mir, habt Ihr Hermetiker gegen Albinkirk kämpfen gesehen?«
Ser Alcaeus hatte genickt. »Etwas Gewaltiges ist auf die Mauern zugekommen. Es hat die Sterne aus dem Himmel gezogen und sie gegen die Burg geschleudert.«
Sie hatten sich die Hände gereicht.
»Ich würde Euch gern unter angenehmeren Umständen wiedersehen«, hatte Ser Alcaeus gesagt.
»Ich Euch ebenfalls, Ser.«
Und mit diesen Worten waren beide davongeritten – der eine nach Norden, der andere nach Süden.
Wer kann die Sterne aus dem Himmel holen und sie gegen Burgmauern werfen?, fragte sich Harmodius und stellte besorgt fest, dass es darauf nur eine einzige Antwort gab.
Das letzte Licht des Tages hatte ihm den Rauch über Albinkirk gezeigt. Wenn die Stadt untergegangen war, dann war er seines Planes beraubt worden.
Sein ursprünglicher Antrieb war fast ganz verschwunden. Offensichtlich war eine Armee der Wildnis aus dem Norden Albas gekommen, und er hatte Angst – bis ins Mark seiner kalten und alten Knochen –, dass das ganze Werk des alten Königs Hawthor zunichtegemacht wurde. Schlimmer noch – das, was den Zauber über ihn geworfen hatte, befand sich irgendwo dort draußen. Bei der Armee.
Dennoch lenkte er sein Pferd nicht wieder in Richtung Süden. Als er die Straße erreichte, die nach Westen und in die Wälder hineinführte und frische Wagenspuren im Boden zu sehen waren, folgte er ihnen.
Seine Entscheidung hatte handfeste Gründe. Er hatte bereits gegen drei Banden der Wildnis gekämpft, um bis hierherzugelangen. Gegen eine vierte wollte und konnte er nicht mehr losziehen.
Zwei Stunden später gab ein Pferd irgendwo in der Finsternis ein langes Schnauben und dann ein leises Wiehern von sich. Sein eigenes Pferd antwortete ihm.
Harmodius richtete sich im Sattel auf.
Er ließ es zu, dass sein Pferd vorwärtstaumelte. Die Pferde würden einander
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