Der Rote Krieger: Roman (German Edition)
einem Lächeln. Es war ein müdes Lächeln und sollte vermutlich keine Beleidigung sein. »Das ist eine Angelegenheit für die Ritter meines Ordens«, sagte er. »Wir sind dafür ausgebildet.«
Der Captal berührte den Knauf seines Schwertes. »Niemand sagt mir, dass meine Männer nicht ausgebildet sind«, meinte er.
Der Prior zuckte die Achseln. »Ich werde Euch nicht mitnehmen, wie schlecht Eure Manieren auch sein mögen.«
Gaston legte die Hand auf den stahlbekleideten Unterarm seines Vetters. Weder in Albia noch in Gallyen forderte man ungestraft einen Ritter Gottes heraus. Das tat man einfach nicht.
Vielleicht glaubte sein verrückter Vetter auch, er stünde über dem Gesetz.
Lissen Carak · Der Rote Ritter
Ein Kommandant ist selten allein.
Der Hauptmann musste Papiere durchsehen, was er oft zusammen mit Ser Adrian tat. Er musste die Übungen überwachen, allgemeine Inspektionen vornehmen, besondere Inspektionen vornehmen und hatte eine Unmenge kleinerer sozialer Verpflichtungen. Er musste die Erwartungen von Menschen erfüllen, deren gemeinsame Bande im Feuer geschmiedet worden waren. Es waren Menschen, die in vielen Fällen aus anderen Gemeinschaften ausgeschlossen worden waren, weil ihnen sogar die einfachsten Umgangsformen fehlten.
Der Hauptmann musste mit sich allein sein. Üblicherweise behalf er sich damit, über die Wiesen und Felder des Landes zu reiten, in dem sich seine kleine Armee gerade befand; dann suchte er sich für gewöhnlich ein Wäldchen und setzte sich unter einen Baum. Doch der Feind hatte die Wiesen und Felder besetzt, und die Festung war mit Menschen überfüllt – sie waren überall.
Harmodius hatte ihm etliche schwierige Anweisungen hinterlassen. Es handelte sich um neue Phantasmata, deren Wirken er erlernen musste und die ihn gegen die Kniffe ihres gegenwärtigen Feindes schützen sollten. Und da war ein Plan – ein sorgfältiger Plan, kühn und risikoreich, aber auch gewitzt und in seinen Ausmaßen beachtlich.
Er brauchte Zeit und Zurückgezogenheit zum Üben. Doch er war nie allein.
Michael kam, brachte ihm ein Hühnchengericht und wurde wieder entlassen.
Bent kam und übermittelte ihm die Bitte einiger Bauern, die ihre Schafe unbedingt in den Pferchen vor den Mauern der Unterstadt aufsuchen wollten. Der Hauptmann rieb sich die Augen. »Ja«, sagte er.
Pampe kam mit dem Vorschlag eines weiteren Ausfalls.
»Nein«, sagte er.
Und ging fort, damit er ein wenig Abgeschiedenheit haben und Thaumaturgie üben konnte.
Der Krankensaal schien der beste Ort dafür zu sein.
Er stieg die Treppe hoch, ohne jemandem zu begegnen. Draußen brach der Abend herein, und er fühlte sich, als hätte er eine Schlacht geschlagen. Er musste seine Beine dazu zwingen, ihn die Wendeltreppe hochzutragen.
Mit einem gemurmelten Gruß ging er an der Schwester vorbei, die am oberen Absatz wachte; sie sollte annehmen, dass er die Verwundeten besuchen wollte.
Wirklich tat er dies als Erstes. John Daleman, ein Bogenschütze, lag auf dem Bett an der Wand, und eine ganze Reihe von Nähten erstreckte sich von seinem Schlüsselbein bis zur Hüfte. Es war ein Wunder – oder beruhte auf der Kunst der Schwestern –, dass sich die Wunden nicht entzündet hatten und er wohl überleben würde. Er lag in tiefem, von Arzneien erwirktem Schlaf, und der Hauptmann saß eine Weile an seinem Bett.
Seth Pennyman, ein Diener, war gerade aus dem Operationsraum gekommen, wo man seinen gebrochenen Arm und auch das gebrochene Bein gerichtet hatte. Er war vor einiger Zeit durch den Schwanz eines Lindwurms von der Mauer gefegt worden. Die Knochen waren schief angewachsen und hatten von den Schwestern wieder gebrochen werden müssen. Nun war er mit irgendeiner Droge angefüllt und murmelte Flüche im Schlaf.
Walter La Tour, der adlige Soldat, saß aufrecht und las in einem wunderschön illuminierten Psalter. Er war siebenundfünfzig Jahre alt und trug eine neumodische Glasbrille auf der Nase. Im Kampf am Fluss hatte er einen schweren Schlag von dem Behemoth abbekommen.
Der Hauptmann setzte sich zu ihm und ergriff seine rechte Hand. »Ich hatte schon befürchtet, dich verloren zu haben, als dieses Wesen dich zu Fall gebracht hat.«
Walter grinste. »Das hatte ich ebenfalls befürchtet«, sagte er. »Bringt mich bitte nicht zum Lachen, Mylord. Das schmerzt zu sehr.«
Der Hauptmann betrachtete ihn eingehender. »Ist dieses Ding da neu?«, fragte er und griff nach der Glasbrille.
»Von der hiesigen Apothekerin
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