Der Rote Krieger: Roman (German Edition)
zu stoßen. Doch er sah niemanden.
Er verschwendete noch mehr Zeit am Rande des Schlachtfeldes und versuchte seine Habseligkeiten zu finden.
Schließlich gab er es auf und ging davon. Er wurde nass, als es regnete, und als die Sonne wieder schien, versengte sie ihn fast. Er hatte nichts, womit er sich etwas hätte kochen können, er hatte allerdings auch nichts zu essen und keine Möglichkeit, sich Nahrung zu besorgen.
An Abend des vierten Tages nach dem Kampf ging er die Straße zu der Herberge entlang. Einige Männer riefen etwas, als sie ihn sahen.
Jeder Mann und jede Frau im Tal kam herbeigelaufen, als sie erfuhren, wer er war. Und weil er der Tanist seines Vetters war, glaubten sie zuerst, dass sein Erscheinen auf etwas Gutes hindeutete.
Als sie jedoch näher kamen, sahen sie die Spuren seiner Tränen und das Schwert. Und da wussten sie.
Als er die letzten Schritte zur Veranda vor der großen Herberge zurücklegte, versperrte ihm der Wirt den Weg und machte ein grimmiges Gesicht. »Seid gegrüßt, Ranald Lachlan«, sagte er. »Wie viele sind umgekommen?«
Ranald hatte keine Schwierigkeiten damit, dem Wirt ins Auge zu sehen. Der Tod ließ einen sorglos werden.
»Sie sind alle tot«, sagte er. »Jeder einzelne Mann. Auch ich war tot.«
Sie keuchten auf, das Volk des Tales, und dann flossen die Tränen, und das Jammern des Verlustes und das Brüllen der Wut waren zu hören.
Ranald Lachlan erzählte rasch und ohne Ausschmückungen seine Geschichte. Dann wandte er sich an die weinende Frau, die neben ihrem Vater stand. »Hier ist sein Schwert«, sagte Ranald. »Wenn du ihm einen Sohn gebärst, soll er ihn eines Tages rächen, hat er gesagt.«
»Das ist eine schwere Last auf den Schultern eines ungeborenen Kindes«, sagte der Wirt.
Ranald zuckte die Achseln. »Das ist nicht meine Schuld«, erwiderte er müde.
Später saß er in den Gemächern des Vogtes und erzählte die Geschichte des letzten Kampfes. Hectors Frau lauschte durch ihre Tränen hindurch. Als er schließlich fertig war, sah sie ihn lange und aufgebracht an.
»Warum haben sie dich zurückgeholt?«, fuhr sie ihn an. »Wo sie doch meinen Geliebten hätten retten können?«
Ranald zuckte mit den Schultern.
Der Wirt schüttelte den Kopf. »Zu viele Männer sind verloren, und auch die ganze Herde.« Er stützte das Kinn auf die Hand. »Es wird uns schlecht ergehen, sollten sie auf das Tal zumarschieren.«
Ranald tat nicht einmal so, als kümmere ihn das. Und der Wirt ließ ihn gehen.
Und es interessierte ihn nicht, als die Frauen der Herberge sich ihm darboten, und auch nicht, dass ein reisender Spieler sich erbot, ein Lied über diese Schlacht zu schreiben.
Er schlief, und am nächsten Tag war er noch genauso benommen wie am Tag zuvor, und so wie am Tag davor. Aber bei Sonnenuntergang begab er sich von seinem Zimmer hinunter in die Gemeinschaftsstube, und dort fragte er den Wirt nach einem Pferd und Ausrüstung.
»Du kannst nicht ernsthaft in Erwägung ziehen, allein gegen die Hinterwaller zu kämpfen«, sagte der Wirt barsch.
»Nein«, bestätigte Ranald.
»Das heißt, du willst einfach nach Hause reiten?«, fragte der Wirt ungläubig.
»Ich bin Viehtreiber«, sagte Ranald. »Ich habe kein Zuhause.«
Der Wirt trank ein Leichtbier und wischte sich über den Schnauzbart. »Wohin dann?«, wollte er wissen.
Ranald lehnte sich zurück. »Ich will den Wyrm von Erch finden«, antwortete er. »Ich will ihn fragen, warum er es zugelassen hat, dass wir von der Wildnis angegriffen wurden.« Der Viehtreiber zuckte die Achseln. »Wir bezahlen unseren Zehnten an den Wyrm, damit er uns vor der Wildnis schützt. Das ist das Gesetz von Erch. Es ist so alt wie die Eichen.«
Langsam setzte der Wirt sein Bier ab. »Du willst mit dem Wyrm sprechen? «
»Jemand muss es doch tun«, meinte Ranald. »Dann kann auch ich dieser Jemand sein. Ich bin ja schon tot.«
Der Wirt schüttelte den Kopf. »Ich habe nur noch ein Dutzend Pferde. Dein Vetter hat meine Herde mitgenommen.«
Ranald nickte. »Das will ich rückgängig machen, bevor ich zu dem Wyrm gehe. Gib mir zwanzig Männer, und ich hole deine Herde zurück. Es ist noch eine Menge davon übrig – mindestens tausend Tiere.«
»Du bist wie dein Vetter«, sagte der Wirt. »An dem, was du sagst, ist immer ein Haken.«
Ranald zuckte die Achseln. »Mir persönlich ist es gleich, aber Sarahs Sohn wird diese Tiere brauchen, wenn er einmal Viehtreiber werden will.« Was er außerdem noch im Sinn hatte, sagte
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