Der Rote Krieger: Roman (German Edition)
Ritter
»Er wird sich über die Unterstadt hermachen«, sagte Jehannes.
Der Hauptmann warf einen Blick über die Brustwehr und beobachtete, wie die fernen Maschinen gespannt wurden. Der Feind hatte zwei Bliden gebaut, die sich etwa vierhundert Fuß von den Mauern der Unterstadt entfernt befanden und auf einem etwa vierzig Fuß hohen Wall aus Holz und Erde standen. Die Geschwindigkeit, mit der sie diesen Wall errichtet hatten, war für den Hauptmann das bisher Schrecklichste an der ganzen Belagerung.
Doch vielleicht gab es etwas noch Schrecklicheres. Ich bin nicht ihr Liebhaber.
Dabei brachte ihm Harmodius gerade bei, wie er sich selbst abspalten und beherrschen konnte, und wie er sich in die Lage zu setzen vermochte, gefährliche Elemente von Zauber und Gegenzauber abzuwehren. Harmodius hatte seinem neuen Lehrling alles beigebracht, was er selbst über diese Dinge wusste.
»Verwendet diese Macht niemals bei Euren Gefühlen, Junge. Unsere Menschlichkeit ist alles, was wir noch haben.« Das hatte ihm der alte Mann heute Morgen gesagt, als ob es eine Sache von großer Bedeutung wäre.
Er zog sich hinter eine Zinne zurück, als ein geschleuderter Felsbrocken gegen einen der Tortürme der Unterstadt prallte. Der Turm hielt stand.
Der Hauptmann atmete schwer.
»Wir haben Männer da unten«, sagte Jehannes. »Wir können die Unterstadt nicht auf Dauer halten.«
»Das müssen wir aber«, sagte der Hauptmann. »Wenn wir sie verlieren, hat er uns von der Brückenburg abgeschnitten. Und dann kann er seine Maschinen nach Süden versetzen. Es ist wie beim Schach, Jehannes. Er spielt um den Boden dort.« Der Hauptmann deutete auf einige Schafspferche im Südwesten. »Wenn er dort einen Belagerungshügel errichten und die Maschinen darauf stellen kann, wird er in der Lage sein, einen Turm der Brückenburg nach dem anderen zu zerstören und sie am Ende ganz einzunehmen.«
Jehannes schüttelte den Kopf. Er war ein Veteran, der schon zwanzig Belagerungen hinter sich hatte, und offensichtlich hasste er es, wenn der Hauptmann ihn belehren wollte. »Er kann dort jederzeit seine Bliden aufstellen«, knurrte Jehannes.
Der Hauptmann seufzte. »Nein, Jehannes, das kann er nicht, denn er fürchtet unsere Ausfälle. Trotz seiner ungeheuren Macht und Gewalt haben wir ihm einige Stiche versetzt. Wenn er seine Maschinen dorthin bringt, ohne vorher die Unterstadt zerstört zu haben, können wir immer wieder einen Ausfall machen und seine Bliden niederbrennen.«
»Er wird neue bauen. Innerhalb eines einzigen Tages«, wandte Jehannes ein.
Der Hauptmann dachte darüber nach.
Jehannes bohrte weiter. »Er hat unbegrenzte Muskelkraft und ausreichend Holz. Vermutlich auch Metall. Er ist imstande, hundert Maschinen zu bauen und an zehn verschiedenen Orten aufzustellen.«
Der Hauptmann nickte. »Ja, das kann er, wenn ihn seine Kreaturen nicht verlassen«, sagte er. »Er will nicht, dass wir weitere Siege erringen.«
»Warum sollte ihm das etwas ausmachen?«, fragte Jehannes verbittert.
Der Hauptmann beobachtete, wie eine Gruppe von Novizinnen zum Krankensaal ging und die anderen ablöste.
»Warum, Jehannes?«, fragte der Hauptmann. In seinen Augen blitzte es, und seine Verbitterung war deutlich zu erkennen. »Ich war der Meinung, du glaubtest, Gott sei auf unserer Seite.«
Sie hatte ihm nur einen kurzen Blick zugeworfen, als sie in einiger Entfernung von ihm mit den anderen vorbeiging.
Jehannes ballte eine Faust. »Eure Blasphemie ist beleidigend«, sagte er leise.
Der Hauptmann drehte sich ruckartig zu seinem Marschall um. »Sieh es so, wie du willst«, sagte er.
Sie standen voreinander, ihre Blicke trafen sich, und dann wurde eine dritte Blide abgefeuert. Sie hörten, wie der Turm beim Nordtor der Unterstadt zusammenbrach.
»Ihr müsst die Männer unbedingt aus der Unterstadt abziehen«, sagte Jehannes.
»Nein. Ich werde ihnen Verstärkung geben. Und ich werde sie persönlich anführen. Wer hat heute das Kommando über die Unterstadt? Atcourt?«
»Atcourt ist noch verletzt. Es ist Ser George Brewes.« Jehannes blickte über die Mauer. »Wir verlieren zu viele Männer«, sagte er.
»Wir sind jetzt stärker als zu Beginn der Belagerung.« Der Hauptmann bezwang seinen Zorn und schob ihn fort – außerhalb seiner Reichweite.
»Es ist an der Zeit, dass Ihr Euch umschaut«, sagte Jehannes. »Wir haben den Mund zu voll genommen. Wir können nicht gewinnen.«
»Doch, das können wir«, sagte der Hauptmann zu seinem
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