Der Rote Krieger: Roman (German Edition)
Marschall.
Jehannes schüttelte den Kopf. »Jetzt ist nicht die Zeit für jugendliche Begeisterungsstürme …«
Der Hauptmann nickte. »Du überschreitest deine Kompetenzen, Jehannes. Mach dich wieder an die Arbeit.«
Jehannes fuhr fort: »… oder für ritterlichen Wagemut. Es gibt zwei realistische Möglichkeiten …«
»Und wenn du der Hauptmann bist, kannst du gerne danach handeln«, meinte der Hauptmann. »Lass mich ebenso offen zu dir sein, wie du es zu mir bist. Du hast keine Ahnung von Taktik. Du spielst dich bei den Bogenschützen und Rittern auf. Du bist nicht von adliger Abstammung, die von Untergebenen sehr geschätzt wird. Und vor allem hast du nicht die Macht, im Gegensatz zu mir. Ich bin müde, dir immer wieder alles erklären zu müssen. Gehorche einfach. Mehr erbitte ich nicht von dir. Wenn du das nicht kannst, musst du gehen.«
Jehannes verschränkte die Arme vor der Brust. »Mitten in einer Belagerung.«
Der Hauptmann kniff die Lippen zusammen. »Ja.«
Sie starrten einander an.
Bei Einbruch der Nacht schleuderten schon sechs Maschinen Steine auf die Unterstadt.
Der Hauptmann sammelte die Wachablösung um sich und ging mit ihr den Hang hinunter. Es gab zwei Wege – zum einen die Straße, die sich in vielen Serpentinen am Hang entlangwand, und zum anderen den Pfad, der schnurgerade nach unten verlief und durch zwei Treppenfluchten unterbrochen wurde. Einige Teile des Pfades waren zum Schutz derjenigen, die ihn benutzten, ummauert, aber natürlich war es unmöglich, Pferde dort hinunter zu führen.
Selbstverständlich nahm die Wache diesen Pfad. Die Männer hatten die Füße mit Leinenfetzen umwickelt, um so wenig Lärm wie möglich zu machen. Angesichts der Oberherrschaft des Feindes über die Ebene hatte der Hauptmann Späher zu beiden Seiten ihres Weges aufgestellt. Der Rote Daud und Amy Hock bewegten sich vorsichtig zwischen den blanken Felsen umher.
Sie benötigten eine ganze Stunde, bis sie den Hang hinuntergegangen waren. Währenddessen fielen unablässig große Felsbrocken aus dem Himmel auf die Unterstadt, zerstörten Häuser und zerbrachen das Straßenpflaster. Jedes Mal stoben Funken auf, wenn die Steine in der Stadt einschlugen. Das schwere Knallen und Schwirren der Bliden drang immer wieder durch die rauchgeschwängerte Luft, wobei es den Anschein hatte, dass sich die Maschinen in großer Nähe befanden.
Die Luft war beißend und dick. Den ganzen feuchten Tag hindurch hatten Dächer und Scheunen gebrannt, so war die Luft mit Rauch gesättigt.
Ein Bogenschütze hustete.
Sie schlichen weiter. Kein Stern zeigte sich, und die Dunkelheit war geradezu greifbar geworden – ein unsterblicher Feind. Der erstickende Rauch war hier unten auf der Ebene viel schlimmer, und bei jedem Einschlag der Felsbrocken stiegen Staub und Steinsplitter auf und erschwerten das Atmen noch mehr.
Die brennende Masse schien geradewegs auf sie zuzukommen.
»Weiter«, sagte er Hauptmann. »Folgt mir.«
Draußen auf den Feldern ging Feuer nieder.
Eine weitere Maschine verschoss ihre Ladung.
Sogar das schwache Licht der brennenden Geschosse reichte aus, um der Wachablösung den Weg nach unten zu zeigen.
Der Hauptmann brach in einen stolpernden Lauf aus. Seine Panzerstiefel hallten auf den Steinstufen wider, als er zum Ausfalltor kam.
Bander, Kling, Schnotz und Kanny holten ihn ein.
»Wachablösung!«, rief er leise.
Keine Antwort.
»Mist«, sagte der Hauptmann genauso leise. Dann rief er lauter: » WACHABLÖSUNG! «
»Tot«, flüsterte Kanny. »Wir sollten umkehren …«
»Halt den Mund«, fuhr Kling ihn an. »Hauptmann, soll ich über die Mauer klettern?«
Der Hauptmann streckte seine Macht durch das kleine Tor.
Es war unbemannt.
»Helft ihm die Mauer hoch. Kanny, mach einen Steigbügel. Und dann auf meine Schultern. Stell dich auf meinen Helm, wenn es sein muss.« Der Hauptmann stand neben Kanny, der zwar etwas brummte, mit seinen gepanzerten Händen aber einen Steigbügel machte.
Kling trat auf Kannys Hände und von dort aus auf die Schulter des Hauptmanns. Dieser spürte eine Verlagerung des Gewichts, und dann sprang der Mann.
Der Bogenschütze grunzte und schwang die Arme. Nach dem dritten Versuch zog er sich kräftig nach oben und warf ein Bein über den niedrigsten Abschnitt der Mauer. Und dann hatte er sie überwunden.
»Verdammt, das war zu einfach«, meinte Kanny.
Schnotz schneuzte sich leise. »Du bist ein nutzloser Mistkerl«, sagte er. »In Gallyen haben wir ganze Städte
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