Der Rote Krieger: Roman (German Edition)
schoss.
Sein Pfeil traf irgendetwas. Die Kreatur riss das Maul auf und kreischte, bis der Wald und die Ohren der Kämpfer von ihrer Wut widerhallten.
Dem Hauptmann blieb noch die Zeit, seinen Speer hochzureißen, die Hände zu verschränken und sein Gewicht auf die rechte Hüfte zu verlagern. Seine Hände zitterten, und die schwere Speerspitze bebte wie ein lebendes Wesen.
Die Bestie kam geradewegs auf ihn zu.
Das tun sie immer.
Einen ewig wirkenden Herzschlag lang konnte er in ihre goldgelben Augen sehen, in denen sich braune Flecken befanden sowie diese geschlitzten schwarzen Pupillen. Er spürte ihre Fremdheit .
Einige Bogenschützen feuerten ihre Pfeile ab. Die meisten trafen nicht. In Panik mussten sie auf ein Ziel schießen, das viel näher lag, als sie erwartet hatten. Aber immerhin waren einige erfolgreich.
Die Bestie rannte auf sie zu. Ihre beiden kräftigen Beine mit den klauenbewehrten Zehen schleuderten die Erde hoch, während sie mit gesenktem Kopf heranstob und mit der Schnauze auf den Brustkorb des Hauptmanns zielte. Die Schwingen hatte sie halb ausgebreitet und schlug sie hin und her, um das Gleichgewicht zu halten.
Gelfred spannte seinen Bogen bereits wieder und vertraute darauf, dass sein Hauptmann ihn noch einige Herzschläge lang schützte.
Der Hauptmann verlagerte sein Gewicht abermals, nahm die Hände auseinander und führte den härtesten und schnellsten Stoß in seinem Repertoire aus. Die Speerspitze bohrte sich in den Hals des Lindwurms, durchdrang die weiche Haut dicht unter dem Kiefer und prallte gegen den Knochen. Der Schwung seines Angriffs führte dazu, dass sich der Lindwurm den Speer sogar noch tiefer in den Hals rammte.
Dem Hauptmann blieb weniger als die Spanne eines Herzschlages, um die Präzision seines Stoßes zu genießen. Dann prallte die Schnauze des Wesens gegen ihn, und er wurde zu Boden geschleudert, während sein Speer noch immer tief in der Kehle des Lindwurms steckte. Blut spritzte, und die Zähne der Bestie schlossen sich um den Speerschaft und den Handschutz, der ihr den Gaumen aufriss, und versuchten den Hauptmann zu erwischen. Ihr Hass war beinahe mit Händen zu greifen. Ihre Gestalt wurde im Blickfeld des Hauptmanns immer größer, ihr Blut tropfte auf ihn herab wie ein Säureregen, und ihre Augen …
Der Hauptmann war erstarrt, hatte die Hände noch um den Speerschaft geschlossen, als die Zähne auf ihn zuschossen.
Angst.
Aber an seinem Ende besaß der Speerschaft gerade für diesen Fall breite Vorsprünge, und die Kiefer des Lindwurms schlossen sich um diese, ohne den Hauptmann zu erreichen. So blieb ihm ein kostbarer Augenblick, um wieder zu Sinnen zu kommen, den Kopf zu senken, den Blick abzuwenden …
… als die Kiefer den Schaft in einem letzten Blutschwall zerbrachen, sich wieder öffneten und auf ihn zuschnellten.
Der gehärtete Stahl seines Helms fing den Biss ab. Er war von dem Gestank des Wesens umgeben – es roch nach Aas, feuchter und kalter Erde und heißem Schwefel. Es tobte, wurde von dem abgebrochenen Speer in seinem Schlund behindert und versuchte, den Helm zu zermalmen. Er hörte, wie die nach hinten gebogenen Zähne mit durchdringendem Gekreisch über seinen Helm schabten.
Die Bestie stieß ein Knurren aus, unter dem sein Helm erbebte, und versuchte ihn vom Boden zu heben. Er spürte, wie sich die Muskeln an seinem Hals dehnten. Er schrie vor Schmerz auf, hielt sich an dem Bruchstück des Schaftes fest, denn nichts anderes war ihm geblieben. Er hörte die Schlachtrufe – laut oder schrill, je nachdem, wer sie ausstieß. Er hörte auch die dumpfen, fleischigen Geräusche – er spürte sie –, als die Waffen seiner Krieger auf den Lindwurm niederregneten.
Doch die Kreatur hatte ihn noch immer im Griff. Sie versuchte, ihm den Kopf abzudrehen und das Genick zu brechen, doch ihre Zähne fanden keinen festen Halt an dem Helm. Ihr Atem war überall um den Hauptmann herum und erstickte ihn beinahe.
Dabei schaffte er es jedoch, die Füße unter sich zu schieben und versuchte seine Panik zu beherrschen, als ihn der Lindwurm vom Boden hob. Es gelang ihm sogar, die rechte Hand um seinen schweren Dolch zu schließen, der kaum etwas anderes war als ein Stahlstachel mit einem Griff daran. Mit einem Schrei der Angst und Wut rammte er die Waffe blindlings in den Kopf des Wesens.
Da spuckte es ihn sofort aus, und er fiel wie ein Stein auf den gefrorenen Boden. Sein Dolch wirbelte davon, und er selbst rollte herum und kam wieder auf die
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