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Der Rote Krieger: Roman (German Edition)

Der Rote Krieger: Roman (German Edition)

Titel: Der Rote Krieger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miles Cameron
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einzigen Laut zu Boden. Still lag er dort, mit Ausnahme des zuckenden linken Hinterbeins, das noch von seinem Hinterhirn gesteuert wurde und in Wut und Enttäuschung über den eigenen Tod immer wieder auf den Boden schlug.
    »Angriff«, befahl Thorn seinen anderen Hauptmännern. Zu dem Leichnam sagte er: »Einer von uns hatte unrecht, Thurkan.« Er sog die Macht des Dämons in sich auf und erhob sich mächtiger, als er je gewesen war.
    Das hätte ich schon vor einem Jahr tun sollen, dachte er und lächelte. Dann trat er auf das Feld hinaus und setzte sich an die Spitze seiner Armeen.
    In der Nähe von Lissen Carak · De Vrailly
    Jean de Vrailly lag sterbend in dem zufriedenen Bewusstsein, dass er eine wunderbare Waffentat vollbracht hatte – eine, über die die Menschen noch in Hunderten von Jahren sprechen würden. Sein Vetter hatte ihn verlassen. Das war auch ganz richtig so, denn die Schlacht ging ja weiter, und die Standarte des Königs schritt voran. Er aber lag mit dem Kopf auf den Beinen seines Knappen Jehan, der ebenfalls eine schreckliche Wunde davongetragen hatte.
    Die Schmerzen waren so groß, dass de Vrailly kaum mehr denken konnte. Dennoch befand er sich in einer Ekstase der Erleichterung, denn nun büßte er mit jedem schwächer werdenden Herzschlag für all seine Sünden. Die riesigen Wunden in seiner Seite, aus denen bei jedem Atemzug Blut und Galle austraten und durch die Luft eindrang, waren eine lebendige Buße und genau das, woraus Ritterlegenden entstanden. Er würde in reinem Zustand zu seinem Schöpfer gehen.
    Er bedauerte nur, dass er noch so vieles hätte tun können, und in den dunkleren Augenblicken seines Sterbens überlegte er, wie er seine Hüften etwas weiter hätte bewegen und dem Schlag des Lindwurms dadurch entgehen, vielleicht sogar unverletzt bleiben können. Es war so knapp gewesen.
    Die Manifestation des Erzengels überraschte ihn – zum einen, weil er sich den Anordnungen des Engels widersetzt hatte, und zum anderen, weil der Engel bisher immer darauf bestanden hatte, nur ihm allein zu erscheinen.
    Nun aber zeigte er sich in seiner glorreichen Rüstung, von Kopf bis Fuß in blendend weißer Panzerung und mit dem roten Kreuz auf dem weißen Wappenrock. Er war so ganz ohne jeden Schatten, dass es sogar den Tod abzustoßen schien.
    Überall auf der Biberwiese hörten die Männer auf zu schreien. Diener fielen auf die Knie. Männer erhoben sich trotz ihrer Schmerzen auf die Ellbogen oder rollten sich herum, obwohl ihre Eingeweide im Matsch hingen – denn das hier musste der Himmel sein, der auf die Erde herabgestiegen war.
    »Du Narr«, sagte der Erzengel sanft – und mit beträchtlicher Zuneigung. »Du stolzer, eitler, anmaßender Narr.«
    Jean de Vrailly betrachtete das makellose Gesicht in dem Wissen, dass sich in sein eigenes die tiefen Furchen des Schmerzes eingegraben haben mochten. Und dass er auf den Tod zuschritt. Aber er hob den Kopf. »Ja!«, sagte er.
    »Du warst wirklich großartig.« Der Erzengel beugte sich über ihn und berührte ihn an der Stirn. »Du warst würdig«, sagte er.
    Einen Augenblick lang fragte sich Jean de Vrailly, ob der Erzengel ein Mann war. Die Berührung schien so zart zu sein.
    Die Worte machten ihn froh. »Zu stolz, um den König von Albia zu verraten«, sagte er.
    »Es existiert ein feiner philosophischer Unterschied zwischen dem Töten und dem Sterbenlassen«, sagte der Erzengel leise. »Dank dir sind all meine Pläne zu Asche geworden, und ich muss ein neues Gebäude errichten, damit gewisse Dinge geschehen können.« Er lächelte den sterbenden Ritter zärtlich an. »Du wirst das gewiss bedauern. Mein Weg war der bessere.«
    Jean de Vrailly gelang ein Lächeln. »Pah!«, sagte er. »Ich bin ein großer Ritter gewesen, und ich sterbe in großen Schmerzen. Gott wird mich zu sich aufnehmen.«
    Der Erzengel schüttelte den Kopf. »Vielleicht«, sagte er. »Aber ich bin der Meinung, dass du noch ein wenig leben und beim nächsten Mal vielleicht auf mich hören solltest.« Er beugte sich noch tiefer herunter und zog sich den strahlend hellen Panzerhandschuh von der Hand – es war eine schlanke Hand von unerkennbarem Geschlecht – und fuhr damit über den Körper des Ritters. Diese Berührung traf de Vrailly wie der Schock, den er bei seiner ersten Wunde erlitten hatte – und siehe da, er war geheilt.
    Er holte tief und zitternd Luft und spürte dabei keine Schmerzen mehr.
    »Du darfst mich nicht heilen«, fuhr de Vrailly ihn an. »Es wäre

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