Der Rote Krieger: Roman (German Edition)
Klosterfestung darauf überragt wurde. Leinenzelte erhoben sich wie schmutzige weiße Blumen aus dem schlammigen Feld, und die Baldachine für die Offiziere wurden soeben ausgeladen. Gruppen von Bogenschützen hoben Feuerstellen und Latrinen aus, und Knappen und Diener sowie das zahlreiche Gefolge – Handwerker und Marketender, entlaufene Leibeigene, Huren, Knechte sowie freie Männer und Frauen, die sich einen Platz erwerben wollten – richteten die riesigen hölzernen Wände auf, die dem Lager als zeitweilige Bollwerke und Türme dienten. Die Viehtreiber, wesentlicher Bestandteil einer jeden derartigen Truppe, füllten die Zwischenräume mit ihren schweren Wagen auf. Pferde wurden angebunden, und Wachen wurden aufgestellt.
Die Türwächterin der Äbtissin hatte den Söldnern ausdrücklich verboten, durch ihr Tor zu schreiten. Die Söldner hatten nichts anderes erwartet, und einige Altgediente unter ihnen schätzten die Höhe der Mauern und die Möglichkeit ab, sie zu erklettern. Zwei Bogenschützenveteranen – Kanny, der zugleich der Winkeladvokat der Truppe war, und Scrant, der unablässig aß – standen vor dem frisch errichteten Holztor des Lagers und dachten darüber nach, wie sie ins Dormitorium der Nonnen eindringen konnten.
Der Hauptmann musste grinsen, als er an ihnen vorbeiritt, ihre Salute entgegennahm und weiter der steilen Kiesstraße folgte, die von der befestigten Ortschaft am Fuß der Erhebung über etliche Serpentinen hoch zum Torhaus der Festung und hindurch in den Hof führte. Hinter ihm stiegen sein Bannerträger, die Marschalle und sechs seiner besten Lanzenwerfer nach seinem leisen Befehl ab und stellten sich neben ihre Pferde. Sein Knappe hielt seinen verzierten Helm, während sein Diener das Kriegsschwert trug. Es war ein beeindruckender Aufzug und warb erfolgreich für sie, wie der Hauptmann an den vielen Köpfen hinter jedem Fenster und jeder Tür ablesen konnte, die sich zum Hof hin öffneten.
Eine große Nonne in schiefergrauem Habit – der Hauptmann unterdrückte die blitzartig aufsteigende Erinnerung an den Leichnam hinter der Schwelle des Gehöfts – streckte die Hände nach den Zügeln seines Pferdes aus. Eine zweite Nonne machte ein Zeichen mit der Hand. Beide sprachen kein Wort.
Zufrieden bemerkte der Hauptmann, dass Michael trotz des Regens mit großer Anmut abstieg und Grendels Haupt ergriff, ohne dabei die Nonne mit Gewalt zur Seite zu drängen.
Er lächelte die Nonnen an und folgte ihnen durch den Hof auf die am üppigsten verzierte Tür zu, deren eiserne Beschläge und hölzerne Bohlen verschlungene Muster trugen. Im Norden erhob sich ein Dormitorium hinter drei niedrigen Hütten, die vermutlich als Werkstätten dienten – Schmiede, Färberei und Wollkämmerei, wie ihm seine Nase verriet. Im Süden stand eine Kapelle, die viel zu schön und zerbrechlich für diese kriegerische Umgebung wirkte. Gleich daneben erstreckte sich wie in kosmischer Ironie ein langer, niedriger und mit Schieferplatten gedeckter Stall.
Vor der mit reichem Schnitzwerk versehenen Kapellentür stand ein Mann. Er trug ein schwarzes Habit mit einer Seidenkordel um die Hüfte, war groß und dabei so dünn, dass es fast grotesk wirkte. Seine Hände waren mit alten Narben übersät.
Dem Hauptmann gefielen seine blauen, ausdruckslosen Augen gar nicht. Der Mann war nervös und weigerte sich, ihn anzublicken – und er war ohne jeden Zweifel wütend.
Der Hauptmann wandte den Blick von dem Priester ab und betrachtete die Reichtümer der Abtei mit dem Auge eines Geldverleihers, der einen möglichen Kunden abschätzt. Das beträchtliche Einkommen der Abtei zeigte sich deutlich an dem gepflasterten Hof, dem sauberen Feuerstein und Granit der Ställe sowie an dem dekorativen Streifen aus glasierten Ziegeln, aber auch am Kupfer der Dächer und den Bleirohren, durch die das Regenwasser in eine Zisterne floss. Der Hof hatte einen Durchmesser von dreißig Schritten und war damit so groß wie die Höfe der Burgen, in denen er als Kind gelebt hatte. Die Mauern waren hoch; hinter ihm lag der äußere Befestigungsring, vor ihm befand sich das eigentliche Kloster mit Türmen an jeder Ecke, alle aus nassem Stein und nassem Blei sowie regenglatten Pflastersteinen. Er betrachtete die schwarze, ausgebleichte Robe des Priesters und den ungefärbten Umhang der Nonne.
Nur Grauschattierungen, dachte er und lächelte, während er die Stufen zur massiven Klosterpforte hochschritt, die von einer weiteren schweigenden Nonne
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