Der Rote Krieger: Roman (German Edition)
Hand.
»Danke«, sagte er und zwang sich zu einem Lächeln. »Ich bin müde und etwas gereizt.«
»Ihr habt um Euer Leben gekämpft«, sagte sie und sah ihm fest in die Augen. »Keine Erschöpfung ist wie die der Angst und des Krieges.«
Er hätte es verneinen müssen. Ritter gaben niemals ihre Angst zu. Doch in ihrer sanften Stimme lag eine vollkommene Sicherheit. Sie war heilsam. Und versöhnlich.
Bewundernswert.
Er erkannte, dass er die ganze Zeit hindurch ihre Hand gehalten hatte. Sie errötete, zog sie aber nicht weg.
»Herrin, deine Worte sind Balsam für einen müden Mann.« Er verneigte sich und küsste ihre Hand. Es war wirklich wie Balsam. Oder sie hatte unbemerkt einen Zauber über ihn gewirkt.
Sie lachte. »Ich bin keine Herrin, sondern nur eine einfache Novizin dieses Hauses«, sagte sie.
Er riss sich von ihr los, denn sie standen schon zu lange im Hof, während die erste Sonne des Frühlings sie beschien.
Er las die Rolle, während er über den Kiesweg vom Haupttor zur Unterstadt ritt. Ein großer Teil des Weges war durch Mauern begrenzt, und einige Abschnitte waren gepflastert, sodass er selbst zu den Verteidigungsanlagen gehörte.
Jemand musste eine Menge Geld in diese Festung gesteckt haben.
Er ritt durch den Ort. Seine Schulter schmerzte nicht mehr, doch seine rechte Hand prickelte – wenn auch aus einem völlig anderen Grund. Er lachte laut auf.
Der Palast von Harndon · Desiderata
Desiderata führte ihre Ritter und Hofdamen in den Frühling hinaus.
Das Jahr war noch jung, und selbst die kühnsten ihrer verwegenen jungen Freunde würden heute nicht nackt ins Wasser springen. Aber für einen schnellen Ritt und ein Picknick auf ausgebreiteten Decken war es warm genug.
Lady Mary befehligte die Anordnung der Speisen. Bei Desiderata erforderte jede Spontaneität sorgfältige Vorbereitung und eine Menge Arbeit – die für gewöhnlich Lady Mary zu tun hatte.
Lady Rebecca Almspend, die etwas lebensferne Schreiberin der Königin, saß hinter ihr und hakte alle Gegenstände ab, die gerade ausgepackt wurden. Sie und Lady Mary waren alte Verbündete und Kindheitsfreundinnen.
Rebecca warf ihre Schuhe von sich. »Es ist wirklich Frühling«, sagte sie.
Mary lächelte sie an. »Und es ist die Zeit, in der sich die Gedanken der jungen Männer wieder auf den Krieg richten«, sagte sie.
»Fürwahr. Sie sind gegen den ersten Feind des Jahres ins Feld gezogen, und das reicht schon aus, um jedem Mädchen den Kopf zu verdrehen.« Rebecca runzelte die Stirn. »Ich glaube, er wird um mich anhalten. Eigentlich hatte ich gehofft, dass er es vor seiner Abreise täte.«
Mary schürzte die Lippen und betrachtete die beiden Steintöpfe mit Orangenmarmelade – der Lieblingssorte der Königin. Davon konnte sie Unmengen essen. »Haben wir tatsächlich nur zwei Töpfe mitgebracht?«
»Wirklich, Mary, dieses Zeug ist ungeheuer teuer – die Orangen stammen schließlich aus dem Süden. Und der weiße Zucker von den Inseln.« Rebecca warf den Kopf herum. »Wenn sie dreißig ist, wird sie keine Zähne mehr haben.«
»Das würde doch niemand bemerken«, erwiderte Mary.
»Mary!« Erstaunt stellte Rebecca fest, dass ihre Freundin weinte. Sie glitt von ihrem Baumstumpf herunter und schlang die Arme um Mary. Diese war weithin als sehr mitfühlend bekannt, was zu bedeuten schien, dass sich jedermann an ihrer Schulter ausweinen konnte. Jetzt stand sie mit ihrem Stylus in der einen Hand und dem Wachstäfelchen in der anderen da, drückte beides hinter dem Rücken ihrer Freundin zusammen und fühlte sich ein wenig närrisch.
»Er hat mir nicht einmal Lebewohl gesagt!«, jammerte Mary wütend. »Dein Hochländer liebt dich wenigstens, Becca! Er wird zu dir zurückkommen oder bei dem Versuch sterben. Aber Murien liebt nur sich selbst, und ich bin ein Dummkopf gewesen …«
»Na, na«, murmelte Rebecca. Drüben bei den Weiden, die den Fluss säumten, erklang Gelächter, und die Haare der Königin blitzten auf.
»Schau, sie trägt ihr Haar offen«, sagte Mary.
Beide lachten. Die Königin neigte dazu, bei dem geringsten Anlass die Haare unter der Haube hervorströmen zu lassen.
Rebecca lächelte. »Hätte ich ihr Haar, ich würde es auch offen tragen.«
Mary nickte. Sie trat von der Umarmung ihrer Freundin zurück und wischte sich die Augen. »Ich glaube, wir sind fertig. Sag den Dienern, dass sie die Teller aufstellen können.« Sie warf einen Blick zu den Bäumen und der darüber stehenden Sonne hinüber. Es war so
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