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Der Rote Mond Von Kaikoura

Der Rote Mond Von Kaikoura

Titel: Der Rote Mond Von Kaikoura Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Laureen
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Großvater meinte, das würde so etwas wie Forscherin bedeuten.«
    Als Henare ein wenig schief lächelte, bereute Lillian, ihm davon erzählt zu haben. Was hat mich nur geritten, dachte sie, zornig auf sich selbst.
    »Tohunga kann sowohl ein Mann als auch eine Frau sein. Manche übersetzen das Wort mit Heiler oder Zauberer, genauso gut kann es aber auch Meister heißen. Wenn ein Maori tohunga genannt wird und nicht gerade der Medizinmann oder die Medizinfrau des Stammes ist, ist er entweder ein Baumeister oder der Beste seines Stammes in einem anderen Handwerk.« Henare musterte sie eindringlich. »Der Kutscher hat also gemeint, dass Sie die Augen einer tohunga hätten?«
    Lillian, der der Blick des Mannes ein wenig unangenehm wurde, senkte die Lider. »Ja, das sagte er. Und dann hat er mir die Flöte geschenkt.« Darauf sagte Henare zunächst nichts, sondern betrachtete sie nur weiter. »Das ist doch nichts Schlechtes, oder?«
    »Nein, ganz gewiss nicht. Der Mann muss Sie für eine Medizinfrau gehalten haben. Sie wurden nicht zufällig dabei beobachtet, wie Sie in die Sterne geschaut haben, oder?«
    »Das wäre möglich«, gab Lillian zu. »Es war ein ganz wunderbarer Sternenhimmel in dieser Nacht.«
    »Die Sterne sind bei den Maori Sache des Medizinmannes oder der Medizinfrau. Sie deuten sie, sie sprechen mit ihnen. Wissen Sie, wie man sie bei uns nennt?«
    Lillian schüttelte den Kopf.
    »Kinder des Lichts. Sie wurden an dem Tag an den Himmel gesetzt, als papa und rangi getrennt wurden und alles aus Gram in Finsternis stürzten.«
    »Papa und rangi sind Ihre Götter, nicht wahr?«
    Plötzlich verstummten die Maori, und als Lillian sich umwandte, sah sie einen hochgewachsenen, schlanken Mann in einem seltsam flauschigen Mantel durch die Tür treten. Begleitet wurde er von zwei jüngeren Kriegern. Obwohl er auf den ersten Blick genau wie der tohunga Macht und Würde ausstrahlte, wirkte er im Gegensatz zu dem alten Heiler ein wenig schwach, geradezu kränklich.
    »Müssen wir irgendwas tun, um ihn zu begrüßen?«, wisperte Lillian.
    Henare schüttelte den Kopf. Die Art, wie er dasaß, wirkte beinahe demütig. Als der Häuptling kurz zu ihm blickte, erhob er sich, um den Gästen zu übersetzen, was er sagte.
    Die Ansprache fiel recht kurz aus. Lillian war froh, dass Henare übersetzte. Doch ihr Interesse war geweckt. Vielleicht konnte sie Henare ja irgendwann einmal überreden, ihr diese Sprache beizubringen …
    Diesen Gedanken vertrieb sie allerdings gleich wieder. Er mag nett sein, sagte sie sich, aber er wird nicht die Zeit haben, sich um dich zu kümmern. Immerhin ist er Mr Caldwells Assistent, und er wird in den kommenden Monaten anderes zu tun haben, als dir die Zeit zu vertreiben.
    »Aus was für einem Fell ist dieser Mantel gemacht?«, wandte sie sich an Henare, der den Kopf wieder etwas hob, als der Häuptling an ihm vorüber war.
    »Kiwi«, entgegnete Henare, nun wieder verschmitzt lächelnd.
    »Kiwis haben Fell?« Lillian schüttelte ungläubig den Kopf.
    »Nein, aber sehr feine Federn, die nicht mit denen anderer Vögel zu vergleichen sind.«
    »Und aus diesen Federn soll der Mantel gefertigt sein?« Skeptisch hob sie die Augenbrauen. »Sie nehmen mich auf den Arm, oder?«
    »Nein, das ist die Wahrheit. Solche Mäntel werden mühevoll gearbeitet und anschließend von Generation zu Generation weitergegeben. Dieser Mantel ist einige Generationen alt …« Er verstummte, doch nur einen Augenblick später lächelte er ihr wieder zu. »Sie können sich schon mal auf das Essen freuen, die Maori haben eine ganz besondere, köstliche Küche.«
    Wenn Lillian ehrlich war, interessierte sie im Moment aber mehr der Häuptling, der sich mittlerweile auf seinem Ehrenplatz niedergelassen hatte. Die beiden jungen Krieger waren noch immer bei ihm. Handelte es sich bei ihnen um seine Söhne?
    Bevor sie Henare danach fragen konnte, richtete der Häuptling das Wort an seine Gäste und die Mitglieder seines Stammes. Mochte seine Erscheinung auch ein wenig schwächlich wirken, seine Stimme war noch immer kraftvoll. Von dem, was er sagte, verstand sie kein Wort, doch ihr fiel auf, dass Henare auf einmal ein wenig abwesend wirkte. Interessierte ihn nicht, was der Häuptling zu sagen hatte?
    Nach der kurzen Ansprache erschienen einige Frauen mit großen Körben und Schüsseln, die prall gefüllt waren mit Früchten, dampfendem Gemüse, Fladenbrot und Geflügel.
    »Was ist das?« Lillian deutete auf die kleinen Vögel, die wie

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