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Der rote Norden - Roman

Der rote Norden - Roman

Titel: Der rote Norden - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franzisika Haeny
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Geld gebraucht, wegen der Scheidung.« Er steht auf. »Das ist natürlich Blödsinn. Man kann immer nein sagen.« Er geht um den Tisch herum, stützt sich mit den Armen darauf. »Glaub mir, Sophie«, er sieht nicht mich an, sondern das rote Moor, »man kann immer nein sagen. Aber ich habe nicht nein gesagt.« Sein Blick ist starr, als sehe er die roten Gräser gar nicht. »Es gibt Menschen, Männer und Frauen, die solche Sachen schreiben und sie glauben. Ich habe sie nicht geglaubt.«
    »Martin!« Ich lege jetzt meine Hand auf seine Hand. Jetzt blickt er mich an.
    »Verstehst du nun, warum ich hier bin?«
    »Ja«, sage ich. Ich möchte, dass er aufhört zu leiden. Ich möchte ihm irgendwie beistehen. »Ich bin froh, dass ich dir helfen kann«, sage ich hastig. »Wir machen es zusammen, nicht?«
    Er nickt. »Ich schaffe es nicht allein. Ich habe es probiert.« Ich möchte, dass sein Gesichtsausdruck sich ändert. Ich halte es nicht aus, ihn so zu sehen. »Willst du fahren?«, frage ich. Fahren, denke ich, lenkt ihn ab. Er verzieht den Mund etwas und nickt. Wir packen die Reste unseres Essens ins Auto.

20.
    Nach einer Viertelstunde Fahrt haben wir das Moor hinter uns gelassen. Der Himmel wird klarer. Martin sitzt neben mir und fährt. Er scheint jetzt ruhiger zu sein. Ich habe kurz überlegt, wo der Zusammenhang zwischen den Artikeln über Sweatshops und x ist, den wir heute erreichen werden, doch ich weiss es nicht.
    Die Landschaft hat sich verändert. Zum ersten Mal, seit ich mit dem Flugzeug in Imalo gelandet bin, sehe ich auch Nadelbäume. Sie sind nicht häufig, aber hin und wieder ragt eine hohe, dunkle Kiefer unter den roten Birken auf. Wir fahren und fahren. Ich lege den Kopf in die Kopfstütze an meinem Sitz und schliesse die Augen. Das Auto dröhnt recht laut. Es schüttelt etwas.
    Der Wagen steht. Ich muss geschlafen haben. Als ich die Augen öffne, sehe ich, dass Martin mich anschaut. Ich frage: »Sind wir da?«
    Er lächelt kaum, zieht eigentlich nur die Mundwinkel hoch, und sagt: »Sozusagen.«
    Ich steige etwas mühsam aus dem Auto. Was ich erkenne, verblüfft mich. Die Strasse – die Autostrasse – bricht einfach ab. Wir stehen vor einer Anhöhe, die mit roten Birken und vereinzelten Kiefern bewachsen ist. Die Strasse endet also abrupt am Fuss eines Hügels. Ich muss den Kopf weit in den Nacken legen, um den Himmel zu sehen. Ich schaue zu Martin. Er hebt etwas das Kinn und sagt: »Wir müssen da hoch.« Er weist mit der rechten Hand auf den Hügel; vielleicht ist dort tatsächlich so etwas wie ein Fussweg zu erkennen. Ich schlucke und nicke und gehe auf diese Möglichkeit eines Wegs zu. Martin schliesst das Auto und ist sofort bei mir. Ich möchte fragen, wie lange wir brauchen, bis wir oben sind, aber ich hüte mich. Ich bin selber schuld, dass ich so dick bin. Ich habe versprochen, Martin zu helfen.
    Also steige ich Schritt für Schritt hoch. Das, was ich als Weg interpretiere, sind kahle Stellen zwischen runden Felsstücken; Stellen ohne Bewuchs, festgetretener harter Boden zwischen Wurzeln. Innerhalb kurzer Zeit klopft mein Herz heftig. Ich fühle scharfe Stiche tief in der Kehle. Ich weiss, wir sind nicht schnell. Aber mein Körper erlebt das offenbar anders. Ich halte an. Ich lehne meinen Rücken gegen eine hohe Birke, die in den blauen Himmel ragt. Martin steht neben mir, und seine grossen braunen Augen schauen mich besorgt an. Ich sehe zu ihm hoch.
    »Ich schaffe es, Martin«, sage ich. »Aber wir müssen langsamer gehen.«
    »Du bestimmst das Tempo«, sagt er, »wir haben Zeit«.
    Also mache ich kleine langsame Schritte. Auch im linken Knie schmerzt es sehr, wenn ich beim Steigen das Gewicht auf das linke Bein lege. Ich muss versuchen, fürs Steigen vor allem das rechte Bein zu nehmen und das linke nachzuziehen. Mir wird sehr warm. Ich ziehe die Jacke aus, breite sie über einen grossen glatten Stein und lege mich darauf. Nur für ein paar Minuten. Ich fühle, wie mein Rücken sich entkrampft. Die Welt hinter meinen geschlossenen Lidern ist sehr hell. Ein Schatten, das muss Martin sein. Ich öffne die Augen. Er sieht liebevoll und etwas ängstlich auf mich herab.
    »Ich stütze dich, Sophie«, sagt er.
    Ich murmle: »Ich schaffe es schon.«
    »Bestimmt schaffst du es«, sagt Martin, »aber ist es nicht weniger schlimm, wenn ich dich dabei stütze?« Damit hat er recht. Ich lasse mir von ihm beim Aufstehen helfen; fast falle ich noch einmal hin, aber er fängt mich auf. Dann gehen wir langsam

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