Der rote Planet
hielt er
einfach für
Vergesslichkeit, durch meine Krankheit bedingt, und er fand, das
wäre
günstig für mich. Werner erzählte mir nichts
über die politischen
Geschehnisse, und er verbot es auch meinen Leibwächtern. In
seiner
Wohnung gab es keine einzige Zeitung und kein einziges Journal der
letzten Jahre, alles wurde in seinem Zimmer in der Anstalt aufbewahrt.
Ich sollte auf einer politisch keimfreien Insel leben.
Anfangs, als ich nur Ruhe und Stille brauchte, gefiel mir das.
Aber
als ich wieder zu Kräften kam, wurde es mir immer enger auf
meiner
Insel; ich bedrängte meine Begleiter mit Fragen, aber getreu
der
ärztlichen Anweisung lehnten sie es ab, mir zu antworten. Das
war
ärgerlich und traurig. Ich suchte nach Wegen, um mich aus
meiner
politischen Quarantäne zu befreien, und wollte Werner davon
überzeugen,
dass ich gesund genug sei, um Zeitungen zu lesen. Aber das war
zwecklos: Werner erklärte, es sei zu früh, und er
entscheide selber,
wann meine geistige Diät abgesetzt werde.
Mir blieb nichts übrig, als zu einer List zu greifen.
Ich musste in
meiner Umgebung einen Helfer finden. Den Feldscher auf meine Seite zu
ziehen wäre sehr schwierig gewesen: Er besaß eine zu
hohe Vorstellung
von: seinen beruflichen Pflichten. Also richtete ich meine
Bemühungen
auf den anderen Leibwächter, den Genossen Wladimir. Bei ihm
traf ich
nicht auf großen Widerstand.
Wladimir war Arbeiter gewesen. Wenig gebildet und fast noch
ein
Kind, war er ein einfacher Soldat der Revolution, aber schon ein
erfahrener Kämpfer. Während eines
berüchtigten Pogroms, bei dem viele
Genossen im Kugelhagel und in den Flammen umkamen, hatte er sich einen
Weg durch die mordende Soldateska gebahnt, wobei er mehrere Mann
erschoss und rein durch Zufall selbst unversehrt blieb. Danach zog er
lange illegal durch Städte und Dörfer, die
bescheidene und gefährliche
Aufgabe erfüllend, Waffen und Literatur zu transportieren.
Schließlich
wurde ihm der Boden zu heiß unter den Füßen,
und er musste sich für
eine Weile bei Werner verstecken. Das alles erfuhr ich
natürlich
später. Aber von Anfang an merkte ich, dass der Mangel an
Bildung den
Jungen sehr bedrückte, denn ohne wissenschaftliche Kenntnisse
würde er
nie selbständige Aufgaben übernehmen können.
Ich begann, mich mit ihm
zu beschäftigen, und sehr bald hatte ich sein Herz erobert.
Das weitere
war leicht, -medizinische Erwägungen waren Wladimir ohnehin
wenig
eingängig, und wir beide wurden zu Verschwörern, so
dass Werners
Strenge sinnlos war. Aus den Zeitungen, Journalen und politischen
Broschüren, die mir Wladimir heimlich brachte, und aus seinen
Berichten
erfuhr ich bald, was in den Jahren meiner Abwesenheit in meiner Heimat
geschehen war.
Die Revolution war ungleichmäßig verlaufen
und hatte sich qualvoll
hingeschleppt. Die Arbeiterklasse hatte angegriffen und dank ihrem
heftigen Ansturm große Siege erzielt, aber als sie im
entscheidenden
Moment nicht von den bäuerlichen Massen unterstützt
wurde, brachten ihr
die vereinten Kräfte der Reaktion eine schwere Niederlage bei.
Während
die Arbeiterklasse Energie für einen erneuten Kampf sammelte
und auf
die bäuerliche Nachhut der Revolution wartete, begannen
Verhandlungen
zwischen der Gutsbesitzerklasse und der Bourgeoisie; man handelte und
verhandelte, um die Revolution zu ersticken. Das Ganze fand in Form
einer parlamentarischen Komödie statt; die Verhandlungen
endeten
ständig mit einem Misserfolg wegen der
unversöhnlichen Haltung der
reaktionären Gutsbesitzer. Ein Spielzeugparlament nach dem
anderen
wurde einberufen und wieder auseinandergejagt. Erschöpft von
den
Stürmen der Revolution, erschreckt vor dem
selbständigen und
energischen ersten Auftreten des Proletariats, schwenkte die
Bourgeoisie immer weiter nach rechts. Die Bauernschaft, die
überwiegend
revolutionär gestimmt war, gewann langsam an politischer
Erfahrung und
erhellte ihren Weg zu höheren Formen des Kampfes mit der
Fackel
zahlloser Brandstiftungen. Die alten Machthaber versuchten einerseits,
die Bauernschaft blutig zu unterdrücken, andererseits, einen
Teil der
Bauern durch Verkauf von Land zu ködern. Der Landverkauf wurde
jedoch
in so läppischen Ausmaßen und auf so plumpe Weise
durchgeführt, dass
die Angelegenheit keinen Erfolg hatte. Immer häufiger wurden
von
Einzelkämpfern und Partisanengruppen Gewaltakte
verübt. Im Lande
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