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Der rote Prophet

Der rote Prophet

Titel: Der rote Prophet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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sagten, und auch das nur, weil er Becca so gerne danach gefragt hätte, wofür dieser ganze Stoff dem gut sei; schließlich mußte sie über ein Jahr daran gesponnen haben, damit er so lang werden konnte, ohne einmal die Schere angesetzt zu haben. Das war etwas, was Ma stets eine schändliche Vergeudung zu nennen pflegte: etwas zu besitzen und es nicht zu nutzen.
    »Iß«, sagte Ta-Kumsaw. Und als er so barsch zu Alvin sprach, wurde er wieder der richtige Ta-Kumsaw. Es beruhigte Alvin, zu wissen, daß hier keine Hexerei am Werk war, daß Ta-Kumsaw nur auf zwei verschiedene Weisen sprechen konnte; andererseits aber weckte es in ihm auch weitere Fragen, etwa die, wie Ta-Kumsaw jemals eine solche Sprache hatte lernen können. Alvin hatte nicht einmal gerüchteweise davon gehört, daß Ta-Kumsaw weiße Freunde in Appalachee hatte, und doch hätte sich so etwas eigentlich herumsprechen müssen. Andererseits fiel es nicht schwer zu erraten, weshalb Ta-Kumsaw dies nicht unbedingt an die große Glocke hängen wollte. Was würden all diese aufgestachelten Roten wohl denken, wenn sie Ta-Kumsaw jetzt sehen könnten? Und was für Folgen hätte das für Ta-Kumsaws Krieg?
    Und überhaupt: Wie konnte Ta-Kumsaw nur einen solchen Krieg führen, wenn er doch wirkliche weiße Freunde wie die Menschen in diesem Tal hatte? Das Land hier war ohne Zweifel tot, jedenfalls das Land, wie die Roten es kannten. Wie konnte Ta-Kumsaw es nur ertragen?
    Die Mahlzeit wurde begleitet von Beccas freundlichem Geplapper über die Ereignisse im Tal, wobei sie Namen erwähnte, die Alvin nichts bedeuteten, nur daß hinter jedem davon auch jemand zu Hause in Vigor Church hätte stehen können – es gab sogar Leute hier, die Miller hießen, was auch nur zu erwarten war, da ein Tal von dieser Größe sicherlich mehr Getreide hervorbrachte, als ein einziger Müller hätte mahlen können.
    »Hast du meinen Stoff gesehen?« fragte Becca.
    Ta-Kumsaw nickte. »Darum bin ich gekommen.« Becca lächelte und führte ihn zum Webstuhl. Dort nahm sie Platz und legte das frischeste Tuch in ihren Schoß. Sie begann etwa drei Ellen von der Mündung des Webstuhls entfernt.
    »Hier«, sagte sie. »Die Versammlung deines Volkes in Prophetstown.«
    Alvin sah, wie sie mit der Hand über ein ganzes Bündel von Fäden fuhr, die aus ihrer richtigen Bahn zu laufen schienen, um sich oben am Rand zu sammeln.
    »Rote aller Stämme«, sagte sie. »Die Stärksten deines Volks.«
    Obwohl die Fasern einen grünlichen Ton besaßen, waren sie tatsächlich schwerer als die meisten Fäden. Becca gab etwas Stoff aus ihrem Schoß nach. Die Versammlung der Fäden wurde immer stärker und deutlicher, und die Fäden selbst wurden zu einem noch helleren Grün. Wie konnten sie nur so die Farbe verändern? Und wie konnte sich ihr Lauf angesichts des mechanischen Webstuhls nur so verändern?
    »Und nun die Weißen, die sich gegen sie zusammengeschart haben«, fuhr sie fort.
    Ta-Kumsaw streckte die Hand vor und zog den Stoff näher heran. Er zog so lange, bis er eine Stelle freigegeben hatte, an der all diese reinen grünen Fäden plötzlich schlaff wurden und endeten, jedenfalls die meisten. Hier wurde das Gewebe fadenscheinig und dünn, es war etwa nur noch jeder zehnte Faden übrig, wie bei einem abgenutzten Ellenbogen eines alten Hemds.
    Wenn die grünen Fäden für Prophetstown standen, dann gab es kein Zweifel daran, was es bedeutete. »Tippy-Canoe«, murmelte Alvin. Nun wußte er, worum es bei diesem Stoff ging.
    Becca beugte sich über den Stoff, und ihre Tränen fielen darauf.
    Ta-Kumsaw zog gleichmäßig weiter an dem Stoff, doch ohne zu weinen. Alvin sah, wie der Rest der grünen Fäden, die wenigen, die nach dem Massaker am Tippy-Canoe übriggeblieben waren, sich an den Rand des Stoffs zogen und dort endeten. An dieser Stelle war der Stoff um so viele Fäden schmaler. Nur daß hier eine weitere Versammlung stattfand, doch diese Fäden waren nicht grün. Sie waren überwiegend schwarz.
    »Schwarz vor Haß«, sagte Becca. »Du versammelst dein Volk mit Haß.«
    »Kannst du dir einen Krieg vorstellen, der mit Liebe geführt wird?« fragte Ta-Kumsaw.
    »Das wäre ein Grund, überhaupt jeden Krieg zu verweigern«, sagte sie sanft.
    »Sprich nicht wie eine weiße Frau«, versetzte Ta-Kumsaw.
    »Aber sie ist doch eine«, warf Alvin ein.
    Beide sahen sie Alvin an. Ta-Kumsaw ungerührt, Becca mit – Belustigung? Mitleid? Dann wandten sie sich wieder dem Stoff zu.
    Sehr schnell gelangten sie an die

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