Der rote Prophet
darauf angesetzt, es für mich herauszubekommen, aber ohne Erfolg. Niemand wußte es. Nur daß es eines Tages in der ganzen Stadt hieß, der Prophet sei da. Aber wo? Komm einfach mit, der Prophet ist da. Niemand sagte jemals, wo er war. Ich kann beschwören, daß diese Roten reden können, ohne zu reden, falls Ihr versteht, was ich meine.«
»Bill, jetzt sagt mir wenigstens, daß Ihr Spione hingeschickt habt, sonst muß ich noch glauben, daß Ihr nicht mehr so genau wißt, worauf es ankommt.«
»Spione? Ich bin selbst hingegangen, wie findet Ihr das? Und wißt Ihr was? Ta-Kumsaw hat mir sogar eine Einladung geschickt, der Gipfel an Dreistigkeit! Ohne Soldaten, ohne Gewehre, nur ich allein.«
»Und Ihr seid hingegangen? Er hätte Euch gefangennehmen und ...«
»Er hat mir sein Wort gegeben. Ta-Kumsaw mag zwar ein Roter sein, aber sein Wort hält er.«
Das hielt Hooch irgendwie für komisch. Harrison, der Mann, der stolz darauf war, daß er nie ein Versprechen einhielt, das er einem roten Mann gab, hatte darauf gezählt, daß Ta-Kumsaw Wort halten würde.
»Ich bin hingegangen. So ziemlich jeder Rote im ganzen Gebiet My-Ammy muß dagewesen sein. Sie hockten auf einem verlassenen Maisfeld – von denen gibt es hier in der Gegend genügend, darauf könnt Ihr wetten, dank Ta-Kumsaw. Hätte ich meine beiden Kanonen und hundert Soldaten dabeigehabt, dann hätte ich das ganze Rotenproblem auf der Stelle lösen können.«
»Schade, daß dem nicht so war«, meinte Hooch.
»Ta-Kumsaw wollte, daß ich ganz vorne sitze, aber das tat ich nicht. Statt dessen hielt ich mich hinten und hörte zu. Der Prophet stand auf, stellte sich auf einen alten Baumstumpf auf dem Feld und redete und redete und redete.«
»Habt Ihr davon überhaupt irgend etwas verstanden? Ich meine, schließlich könnt Ihr doch gar kein Shaw-Nee.«
»Er hat Englisch gesprochen, Hooch. Es waren viel zu viele verschiedene Stämme da. Die einzige Sprache, die sie alle beherrschten, war Englisch. Gewiß, manchmal hat er auch in diesem roten Kauderwelsch geredet, aber es wurde sehr viel Englisch gesprochen. Über die Zukunft des roten Mannes. Wie er sich von der Verunreinigung durch die Weißen fernhalten soll. Wie sie alle zusammenleben und einen Teil des Landes ausfüllen sollen, damit der weiße Mann seinen Platz findet und der Rote seinen. Daß sie eine Stadt bauen sollten – eine Kristallstadt, sagte er, das hörte sich richtig hübsch an. Nur daß diese Roten ja nicht einmal einen ordentlichen Schuppen zustande bringen, da mag ich gar nicht daran denken, was die erst mit einer Stadt aus Glas anfangen würden! Vor allem aber, sagte er, sollten sie keinen Branntwein trinken. Nicht einen Tropfen. Sie sollten ihn aufgeben, sollten das Zeug nicht mehr anrühren. Branntwein sei die Kette des weißen Mannes, die Kette und die Peitsche, die Kette und die Peitsche und das Messer. Erst fängt er einen, dann peitschte er einen, dann tötet er einen; und wenn der weiße Mann einen mit seinem Whisky getötet hat, kommt er, um das Land zu stehlen, und es zu vernichten.«
»Klingt, als hätte er Euch richtig beeindruckt, Bill«, meinte Hooch. »Als hättet Ihr seine Rede auswendig gelernt.«
»Auswendig gelernt? Er hat drei Stunden am Stück geredet. Von Visionen der Vergangenheit, Visionen der Zukunft. Er hat darüber gesprochen, wie ... Ach, Hooch, es war verrücktes Zeug, aber diese Roten haben es gesoffen wie, wie ...«
»Whisky.«
»Wie Whisky, nur daß sie es anstelle von Whisky soffen. Und alle sind sie mit ihm gegangen. Jedenfalls fast alle. Die einzigen, die übrigblieben, waren ein paar Whisky-Rote, die wohl bald sterben müssen. Und natürlich meine zahmen Roten, aber das ist etwas anderes. Und ein paar wilde Rote am anderen Ufer des Hio.«
»Wohin sind sie denn mit ihm gegangen?«
»Das ist es ja, was mir zusetzt, Hooch. Sie sind alle nach Prophetstown gegangen, jedenfalls in die Nähe, genau gegenüber von Vigor Church. Und genau dorthin gehen auch all die Weißen! Na ja, nicht alle gehen nach Vigor Church, aber in die Landstriche, von denen Brustwehr-der-Hölle Weaver seine Landkarten hat. Sie stecken alle unter einer Decke, Hooch, das kann ich Euch versichern. Ta-Kumsaw, Brustwehr-Gottes Weaver und der Prophet.«
»Hört sich so an.«
»Und das schlimmste ist, daß ich diesen Propheten bestimmt tausendmal in meinem Büro hier vor mir hatte und ihn jederzeit hätte umbringen können. Es war unser alter Bekannter Lolla-Wossiky. Jetzt nennt er
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