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Der rote Prophet

Der rote Prophet

Titel: Der rote Prophet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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gewesen, als der neue Mühlstein ihm aufs Bein gefallen war, wodurch er sich einen sehr häßlichen Bruch zugezogen hatte. Es hatte so ausgesehen, als würde er sterben. Und das, obwohl er wußte, daß er die Kraft besaß, sich selbst zu heilen.
    Seitdem der leuchtende Mann in jener Nacht zu ihm ins Zimmer gekommen war, als er noch sechs Jahre alt gewesen war, hatte Al seine magische Fertigkeit nie benutzt, um sich selbst zu helfen. Gewiß, er konnte Steine für seinen Vater schneiden und hauen, weil das allen half. Dabei berührte er den Stein mit den Fingern, erspürte ihn, spürte die verborgenen Stellen im Stein auf, wo dieser brechen konnte, und rückte dann alles zurecht, sorgte dafür, daß es so lief, wie es sollte; dann kam der Stein genau richtig aus dem Fels, genau so, wie er es haben wollte. Doch niemals für sich selbst.
    Und als er dann sein Bein gebrochen hatte und die ganze Haut abgeschürft gewesen war, da hatten alle gewußt, daß er sterben mußte. Und Al hätte seine Fähigkeit nie darauf verwandt, sich selbst zu heilen, ja, er hätte es nicht einmal versucht, wäre der alte Geschichtentauscher nicht dagewesen. Geschichtentauscher hatte gefragt, warum er sein Bein nicht selbst heilte. Und so hatte Al ihm erzählt, was er noch nie einer Menschenseele verraten hatte, die Sache mit dem leuchtenden Mann. Und Geschichtentauscher hatte ihm auch geglaubt und ihn nicht für verrückt gehalten. Er hatte Al dazu gebracht, sich noch einmal genau daran zu erinnern, was der leuchtende Mann gesagt hatte. Und da war Al wieder eingefallen, daß der leuchtende Mann nur zu ihm gesagt hatte: »Mach alle Dinge ganz.«
    Mach alle Dinge ganz. Gehörte sein Bein denn nicht auch zu ›allen Dingen‹? Und so hatte er es so gut wieder gerichtet, wie er es eben konnte. Dazu hatte noch sehr viel mehr gehört, aber alles in allem hatte er seine eigene Kraft mit Hilfe seiner Familie dazu verwandt, sich selbst zu heilen. Deshalb war er überhaupt noch am Leben.
    Doch in jenen Tagen hatte er dem Tod ins Auge geblickt, und er hatte sich nicht so sehr vor ihm gefürchtet, wie er geglaubt hatte. Er hatte gespürt, daß sein Körper nur eine Art Schuppen war, ein Unterschlupf für schlechtes Wetter, bis sein Haus fertig gebaut war. Wenn er starb, würde es gar nicht schlimm sein. Nur anders; und vielleicht auch besser.
    Und als seine Mutter dann immer und immer wieder von den Roten angefangen hatte und wie lebensgefährlich es sei, hatte er nicht darauf geachtet. Nicht, weil er glaubte, daß sie im Unrecht sei, sondern weil es ihm nicht sonderlich wichtig war, ob er starb oder nicht.
    Nein, ganz so stimmte das auch wieder nicht. Er hatte noch sehr viel zu tun, obwohl er noch nicht genau wußte, was, so daß es ihn geärgert hätte, zu sterben. Auf jeden Fall hatte er nicht vor, zu sterben. Es jagte ihm nur nicht so viel Furcht ein wie manchen anderen Leuten.
    Sein großer Bruder Measure versuchte Ma zu beruhigen. »Es wird uns schon nichts passieren, Mama«, sagte Measure. »Unruhen gibt es nur unten im Süden, und wir werden die ganze Zeit auf befestigten Straßen reisen.«
    »Auf diesen Straßen verschwinden jede Woche Leute«, erwiderte sie. »Diese Franzosen in Detroit kaufen immer noch Skalps, und es spielt überhaupt keine Rolle, was Ta-Kumsaw und seine Wilden tun, ein einziger Pfeil genügt schon, um euch zu töten ...«
    »Ma«, erwiderte Measure. »Wenn du Angst davor hast, daß die Roten uns erwischen, dann solltest du eigentlich wollen, daß wir gehen. Ich meine, in Prophetstown, genau gegenüber am anderen Ufer, wohnen mindestens zehntausend Rote. Das ist inzwischen die größte Stadt westlich von Philadelphia, und alle Einwohner sind Rote. Wenn wir jetzt nach Osten reisen, dann entkommen wir den Roten sogar ...«
    »Dieser einäugige Prophet macht mir keine Sorgen«, versetzte sie. »Er spricht nie vom Töten. Ich meine einfach nur, daß ihr nicht ...«
    »Es spielt keine Rolle, was du meinst«, sagte pa.
    Ma drehte sich zu ihm um. »Sag du mir nicht, daß es keine Rolle spielt, was ich ...«
    »Es spielt keine Rolle, was ich meine«, erwiderte Pa. »Es spielt keine Rolle, was irgend jemand meint, und das weißt du auch.«
    »Wenn dem so sein sollte, dann weiß ich nicht, weshalb der Herr uns überhaupt ein Gehirn gegeben hat, Alvin Miller!«
    »Al wird nach Osten zum Hatrack River reisen, um bei einem Hufschmied in die Lehre zu gehen«, antwortete Pa. »Ich werde ihn vermissen, du wirst ihn vermissen, wahrscheinlich

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