Der rote Prophet
sei zu seinem Besten. Mehr brauchte Alvin Junior nicht zu wissen. Er hatte genickt und getan, was Pa gesagt hatte; nicht etwa, weil es ihm an Temperament gefehlt hätte oder weil er sich vor seinem Pa fürchtete, wie andere Jungen es taten. Er kannte seinen Pa einfach nur gut genug, um seinem Urteil zu vertrauen. So einfach war das.
»Ich werde dich vermissen, Pa.« Und dann wich Pa einen Schritt zurück, um Ma Platz zu machen, damit sie ihn verabschieden konnte. Die Tränen liefen ihr das Gesicht herunter, aber sie hatte keine allerletzte Liste von Geboten und Verboten für ihn parat, wie sie sie für Measure hatte. Sie küßte einfach nur seine Hand, klammerte sich daran, sah ihm in die Augen und sagte: »Wenn ich dich heute gehen lasse, werde ich dich nie mehr wiedersehen, solange ich lebe, nicht.«
»Nein, Ma, sag nicht so etwas«, erwiderte er. »Mir wird schon nichts Schlimmes passieren.«
»Denk nur an mich«, sagte sie. »Und behalte das Amulett, das ich dir gegeben habe. Du mußt es die ganze Zeit tragen.«
»Was bewirkt es denn?« fragte er und holte es wieder aus der Tasche. »So eins kenne ich noch gar nicht.«
»Mach dir darüber mal keine Gedanken, behalte es immer nur in der Nähe.«
»Das werde ich tun, Ma.«
Dann führte Measure sein Pferd neben Al Juniors Reittier. »Wir müssen los«, sagte er.
»Dann geht schon«, sagte Ma. »Geht schon, meine Jungen.«
Doch sie waren kaum eine Rute weiter, bevor Pa ihnen nachgerannt kam und Measures Pferd am Zügel packte. »Jungen, denkt immer dran! Die Flüsse immer nur über die Brücken überqueren! Habt ihr mich gehört? Nur die Brücken benutzen! Von hier bis zum Hatrack River besitzt jeder Fluß eine Brücke.«
»Ich weiß, Pa«, sagte Measure. »Ich habe nämlich mitgeholfen, sie zu bauen.«
»Ihr sollt sie benutzen! Mehr sage ich gar nicht. Und wenn es regnen sollte, dann macht ihr halt und sucht euch ein Haus, wo ihr rasten könnt, habt ihr mich gehört? Ich will nicht, daß ihr im Regen draußen bleibt.«
Feierlich versprachen sie es und machten sich schließlich auf den Weg.
Etwa auf halber Strecke zwischen der Farm der Hatches und der Bjornsons hatte der letzte Sturm einen Baum entwurzelt und damit den halben Weg blockiert. Zu Pferd konnten sie zwar daran vorbeikommen, doch so etwas ließ man nicht einfach unbeachtet. Vielleicht kam irgendwann einmal jemand in einem Wagen vorbei, der es eilig hatte, möglicherweise in einer stürmischen Nacht. Und so stiegen sie ab, verzehrten das Mittagessen, das Ma ihnen mitgegeben hatte, und machten sich mit ihren Äxten an die Arbeit. Es war schwere, schweißtreibende Arbeit, aber es war auch gute Arbeit, und alles in allem dauerte es kaum mehr als eine Stunde.
Natürlich unterhielten sie sich dabei. Sie kamen auf die Geschichten von dem Massakern der Roten im Süden zu sprechen. Measure war ziemlich skeptisch. »Klar, ich habe diese Geschichten auch gehört, aber wenn sie so grausam waren, dann nur, weil die Leute sie mit der Zeit ausgeschmückt haben. Diejenigen, die tatsächlich dort unten gelebt haben und vertrieben wurden, erzählen immer nur, daß Ta-Kumsaw gekommen ist und ihre Schweine und Hühner vertrieben hat, das ist alles. Von denen hat nie jemand was über grausame Metzeleien berichtet.«
Al, der ja erst zehn Jahre alt war, war dennoch geneigt, die Geschichten zu glauben; je blutiger sie waren, um so lieber. »Vielleicht haben sie ja immer gleich ganze Familien getötet, so daß keine mehr davon berichten konnte.«
»Jetzt denk doch mal darüber nach, Al! Das leuchtet nicht ein. Ta-Kumsaw will doch, daß die Weißen von dort verschwinden, nicht wahr? Er will, daß sie sich zu Tode ängstigen, damit sie ihre Sache packen und gehen, nicht wahr? Dann müßte er doch wohl auch mindestens einen am Leben lassen, der von dem Massaker berichten kann. Und selbst wenn das nicht so wäre, hätte man doch wenigstens ein paar Leichen finden müssen, oder?«
»Woher kommen die Geschichten denn dann?«
»Brustwehr-Gottes meint, daß Harrison solche Lügen verbreitet, um die Leute gegen die Roten aufzuhetzen.«
»Na, was den Brand seines Hauses und seines Stakets angeht, hat er ja wohl kaum gelogen. Das konnten die Leute doch wohl genau sehen, daß die abgebrannt sind. Und daß seine Frau und sein kleiner Junge dabei umkamen, hat er auch nicht erfunden, oder?«
»Natürlich sind die niedergebrannt, Al. Aber vielleicht waren es ja gar keine Feuerpfeile Ta-Kumsaws, die den Brand entzündet haben.
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