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Der rote Prophet

Der rote Prophet

Titel: Der rote Prophet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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waren verschwunden, im ganzen Wald war keine einzige Spur zu sehen, und dann hörten sie schon wieder einen Schrei. An diesem Tag legten sie zwanzig Meilen zurück, und schließlich, gegen Nachtanbruch, fanden sie den Jungen, von drei verschiedenen Bäumen herabhängend. Man erzählte sich, daß Boone das nie vergessen hatte, danach konnte er nie wieder einem Roten in die Augen sehen, ohne an diesen Zwanzigmeilentag zu denken.
    Auch Al dachte jetzt an diesen Zwanzigmeilentag, wie der die Roten lachen hörte, wie er den Schmerz spürte, nur den Beginn des Schmerzes, wissend, daß diese Roten, was immer sie sonst noch vorhaben mochten, zunächst einmal mit zwei toten weißen Jungen anfangen wollten, und daß es ihnen nichts ausmachen würde, wenn es dabei etwas laut wurde. Sei still, sagte er bei sich. Sei still.
    Sie rieben ihm mit seinen zerfetzten Kleidern das Gesicht ab, und Al versuchte, sich auf andere Dinge zu konzentrieren. Mit Mühe gelang es ihm, trotz seines Schmerzes und der Unruhe die größten Venen und Arterien in seinem Körper zu erspüren und sie wieder zu verschließen. Als sie zum letzten Mal mit einem Hemd über sein Gesicht wischten, spritzte aus seiner Stirn kein Blut mehr.
    Measure hatten sie noch nicht mit dem Messer bearbeitet. Er blickte Al an, und sein Gesichtsausdruck wirkte krank. Al kannte seinen Bruder gut genug, um zu wissen, was er dachte: Daß Ma und Pa ihm Al anvertraut hatten und er nun völlig versagt hatte. Doch es war verrückt, sich deswegen Vorwürfe zu machen. Was gerade geschah, hätte in jedem Blockhaus irgendwo in dieser Gegend geschehen können, und niemand hätte es verhindert. Selbst wenn Al und Measure nicht auf eine lange Reise ausgezogen wären, hätten sie sich gerade auf diesem Weg befinden können. Doch Al konnte Measure nichts dergleichen sagen, es blieb ihm nicht viel anderes übrig, als zu lächeln.
    Als zu lächeln und zu versuchen, seine Wunde so gut wie möglich zu heilen. Dafür zu sorgen, daß an seiner Stirn alles wieder so wurde, wie es sein sollte. Er konzentrierte sich darauf, und es fiel ihm immer leichter, während er den Roten zusah.
    Sie redeten nicht viel. Sie wußten recht genau, was sie zu tun hatten. Sie nahmen die blutverschmierten Kleider und banden sie auf die Sättel. Dann ritzte einer von ihnen die englischen Buchstaben ›Ta-Kumsaw‹ in den einen Sattel und ›Prophet‹ in den anderen. Einen Augenblick lang war Al überrascht, daß der Rote Englisch schreiben konnte, doch dann sah er, wie er die Buchstaben von einem Papier ablas, das er zusammengefaltet in seinem Lendenschurz verwahrt hatte. Ein Papier!
    Dann hielt je ein Roter eines der Pferde am Zügel, während ein anderer den Tieren mit einem Messer in die Flanken stach. Es waren nur kleine, nicht allzu tiefe Stiche, aber sie genügten, um die Pferde wild zu machen, bis sie austraten und sich aufbäumten. Die Pferde warfen die beiden Roten um, die sie festgehalten hatten, und jagten davon, den Weg entlang, der sie nach Hause führte.
    Eine Nachricht. Es ging um eine Nachricht. Diese Roten wollten, daß man sie verfolgte, daß ein ganzer Haufen Weißer die Musketen aufnahm und die Pferde bestieg und ihnen folgte. Wie Daniel Boone in der Geschichte. Al und Measure hatten nicht die geringste Chance, davonzukommen. Selbst wenn Al die Fesseln gelöst hätte – was ihm nicht weiter schwergefallen wäre –, hätten zwei weiße Jungen die Roten im Wald niemals abhängen können. Nein, diese Roten hatten sie so lange in ihrer Gewalt, wie sie wollten. Doch Al kannte ein paar Kniffe, wie er sie daran hindern konnte, bestimmte Dinge mit ihnen anzustellen. Und es würde auch in Ordnung sein, diese Fähigkeiten einzusetzen, denn es würde ja nicht nur für ihn sein, sondern für seinen Bruder und seine Familie und irgendwie auch für die Roten selbst. Denn wenn wirklich etwas Schlimmes passieren sollte, wenn zwei weiße Jungen tatsächlich zu Tode gefoltert würden, dann würde es einen grausamen Krieg zwischen Roten und Weißen geben. Solange er dabei niemanden tötete, durfte Al sein Talent ruhig einsetzen.
    Als die Pferde fort waren, legten die Roten um Als und Measures Hals Lederriemen und zerrten sie hinter sich her. Measure war ein großer Mann, größer als jeder der Roten, so daß er sich vorbeugen mußte. Das Laufen fiel ihm schwer, und der Riemen saß sehr straff. Al folgte dichtauf und konnte daher mitansehen, wie man Measure behandelte. Aber es war nicht schwer für Al, in diesen

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