Der rote Prophet
Weiße sollte nach dem Gesetz des roten Mannes leben oder das Land verlassen, oder sterben. Die Waffen des weißen Mannes durften verwendet werden, doch nur, um Rote vor Mord und Diebstahl zu schützen. Kein roter Mann würde einen Gefangenen martern oder töten – ob es ein Mann war, eine Frau oder ein Kind. Vor allem aber sollte der Tod keines Roten ungerächt bleiben.
Ta-Kumsaw wußte, daß alle Roten Amerikas, sofern sie nur seinen Eid schworen, den weißen Mann noch immer würden besiegen können. Die Weißen waren überhaupt nur so weit gekommen, weil die Roten sich nie unter einem Führen vereinigen konnten. Die Weißen hatten sich immer mit dem einen oder dem anderen Stamm verbünden können, der sie dann durch den pfadlosen Wald führte, um ihre Feinde aufzuspüren. Wären Rote nicht übergelaufen – wie die unsäglichen Irrakwa, die Halbweißen Cherriky –, der weiße Mann hätte in diesem Land nicht überleben können.
Nachdem der Prophet seine Herausforderung ausgesprochen hatte, war es nur noch eine Handvoll, die seinen Eid ableisten mochte und mit ihm zurückkehren wollte. Er wirkte traurig, dachte Ta-Kumsaw. Er kehrte jenen, die blieben, den Rücken zu – den Kriegern, die gegen den weißen Mann kämpfen würden.
»Diese Männer sind deine«, sagte der Prophet. »Ich wünschte, es wären nicht so viele.«
»Ja, es sind meine, aber ich wünschte, es wären nicht so wenige.«
»Oh, du wirst noch genügend Verbündete finden. Chok-Taw, Cree-Ek, Chicky-Saw, die heimtückischen Semmy-Noll der Oky-Fenoky. Genug, um die größte Armee des roten Mannes aufzustellen, die dieses Land jemals gesehen hat, und alle werden sie nach dem Blut der Weißen dürsten.«
»Kämpfe an meiner Seite in dieser Schlacht«, forderte Ta-Kumsaw ihn auf.
»Du wirst deine Sache verlieren, weil du töten wirst«, erwiderte der Prophet. »Ich dagegen werde siegen.«
»Indem du stirbst.«
»Wenn das Land meinen Tod fordert, werde ich gehorchen.«
»Und all dein Volk mit dir.«
Der Prophet schüttelte den Kopf. »Ich habe geschaut, was ich geschaut habe. Das Volk meines Bundes ist ebensosehr Teil des Landes wie der Bär oder der Büffel, das Eichhörnchen oder der Biber. Alle diese Tiere haben stillgestanden, um deinen Pfeil zu empfangen, nicht wahr? Oder sie haben deinem Messer den Hals hingestreckt. Oder für deinen Tommy-hawk den Kopf auf den Boden gelegt.«
»Es sind Tiere, Fleisch.«
»Sie sind lebendig, sie sollen so lange leben, bis sie sterben, und wenn sie sterben, tun sie es, damit andere leben können.«
»Ich nicht. Nicht mein Volk. Wir werden dem Messer des weißen Mannes nicht den Hals hinhalten.«
Der Prophet nahm Ta-Kumsaw an der Schulter, Tränen strömten seine Wangen herab. Er preßte seine Wange an die seines Bruders, benetzte sie.
»Komm und suche mich am anderen Ufer des Mizzipy auf, wenn all dies vollbracht ist«, sagte, der Prophet.
»Ich werde es nicht zulassen, daß das Land geteilt wird«, erwiderte Ta-Kumsaw. »Der Osten gehört nicht dem weißen Mann.«
»Der Osten wird sterben«, antwortete der Prophet. »Folge mir nach Westen, wohin der weiße Mann niemals kommen wird.«
Ta-Kumsaw erwiderte nichts.
Der weiße Junge Alvin berührte die Hand des Propheten. »Tenskwa-Tawa, bedeutet das, daß ich nie nach Westen kommen kann?«
Der Prophet lachte. »Weshalb, glaubst du, schicke ich dich mit Ta-Kumsaw? Wenn irgend jemand einen weißen Jungen zu einem Roten machen kann, so Ta-Kumsaw.«
»Ich will ihn nicht haben«, sagte Ta-Kumsaw.
»Nimm ihn oder stirb«, gab der Prophet zur Antwort. Dann schritt er die Düne hinunter zu seinem Dutzend Männer, die mit ihren blutigen Handflächen, mit denen sie den Eid besiegelt hatten, auf ihn warteten. Sie schritten am Ufer des Sees davon, ihren Familien entgegen. Morgen würden sie wieder in Prophetstown sein, bereit, niedergemetzelt zu werden.
Ta-Kumsaw wartete, bis der Prophet hinter einer Düne verschwunden war. Dann rief er den Hunderten, die übriggeblieben waren, zu: »Wann wird der weiße Mann jemals Frieden haben?«
»Wenn er geht!« riefen sie. »Wenn er stirbt!«
Ta-Kumsaw lachte und breitete die Arme aus. Er spürte ihre Liebe und ihr Vertrauen wie die Hitze der Sonne an einem Wintertag. Er wußte, daß keine Aufgabe vor ihm lag, die er nicht meistern konnte. Nur der Verrat würde ihm den Sieg streitig machen können. Und Ta-Kumsaw vermochte tief ins Herz eines Menschen hineinzublicken. Er wußte, wann er vertrauen konnte, wußte, wenn
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