Der rote Prophet
Morgen. Habe ich geschlafen?«
»Nicht geschlafen«, sagte Ta-Kumsaw auf Shaw-Nee. Nun schien der Junge überhaupt nichts zu verstehen. »Nicht geschlafen«, wiederholte Ta-Kumsaw auf Englisch.
»Ich habe das Gefühl, als hätte ich geschlafen«, sagte er. »Nur daß ich hier aufrecht stehe.«
»Du fühlst dich nicht müde? Du willst dich nicht ausruhen?«
»Müde? Warum sollte ich müde sein?«
Ta-Kumsaw wollte es ihm nicht erklären. Wenn der Junge nicht wußte, was er getan hatte, dann war es ein Geschenk des Landes gewesen. Vielleicht war aber auch etwas daran, was der Prophet über ihn gesagt hatte: Daß Ta-Kumsaw ihn lehren sollte, ein Roter zu werden. Wenn er in einem solchen Gewaltmarsch mit erwachsenen Shaw-Nee Schritt halten konnte, dann konnte dieser Junge vielleicht als einziger Weißer auch lernen, das Land zu erspüren.
Ta-Kumsaw erhob sich und sprach mit den anderen. »Ich gehe in die Stadt und nehme nur vier Männer mit.«
»Und den Jungen«, sagte einer. Andere wiederholten seine Worte. Sie alle wußten, was der Prophet Ta-Kumsaw versprochen hatte, daß er nicht sterben würde, solange der Junge bei ihm blieb. Selbst wenn er versuchen wollte, den Jungen zurückzulassen, würden sie es nie zulassen.
»Und den Jungen«, willigte Ta-Kumsaw ein.
Detroit war kein Fort wie die armseligen Holzstakete der Amerikaner. Es war aus Stein gebaut wie die Kathedrale, mit riesigen Kanonen, die auf den Fluß hinauszeigten, der den Lake Huron, den Lake St. Clair und den Lake Canada miteinander verband; kleinere Kanonen wiesen landeinwärts, bereit, etwaige Angreifer zu Lande abzuwehren.
Aber es war die Stadt und nicht die Festung, die sie beeindruckte. Ein Dutzend Straßen mit Holzhäusern, Geschäften und Läden, und in der Mitte eine Kathedrale, so gigantisch, daß Reverend Throwers Kirche dagegen einfach lächerlich wirkte. Schwarzgewandete Priester, die aussahen wie Krähen, gingen in den Straßen ihren Geschäften nach. Die dunkelhäutigeren Franzosen begegneten den Roten nicht mit der gleichen Feindseligkeit, wie sie die Amerikaner oft an den Tag legten. Sie waren nun einmal keine Siedler und sahen daher in den Roten keine Rivalen um den Landbesitz. Die Franzosen hier dienten ihre Zeit ab, bis sie nach Europa zurückkehrten oder zumindest in die von Weißen besiedelten Ländereien von Quebec und Ontario auf der anderen Seite des Flusses. Allein die Trapper bildeten eine Ausnahme, doch für sie waren die Roten auch keine Feinde. Trapper begegneten den Roten vielmehr mit Ehrfurcht, sie versuchten zu erfahren, wie es den Roten gelang, ihr Wild so mühelos aufzuspüren, wo die Trapper doch solch verteufelte Schwierigkeiten damit hatten, zu wissen, wo sie ihre Fallen auslegen sollten. Sie dachten, wie es die Weißen immer taten, daß es nur irgendein Trick der Roten sei, und daß sie die roten Männer nur lange genug beobachten mußten, um ihn in Erfahrung zu bringen. Sie würden es niemals lernen. Wie konnte das Land auch einen Mann annehmen, der alle Biber in einem Teich tötete, nur um die Pelze zu erhalten, während er das Fleisch achtlos liegenließ und kein Biber mehr übrigblieb, um noch Junge zu gebären? Kein Wunder, daß die Bären diese Trapper töteten, wann immer sie konnten. Das Land selbst verließ sie.
Wenn ich die Amerikaner aus dem Land westlich der Berge vertrieben habe, dachte Ta-Kumsaw, dann werde ich die Yankees aus New England vertreiben und die Cavaliers aus den Kronkolonien. Und wenn sie alle fort sind, werde ich mich den Spaniern in Florida und den Franzosen in Kanada zuwenden. Heute werde ich mich eurer bedienen, doch schon morgen werde ich auch euch verjagen. Jeder Weißer der in diesem Land bleibt, wird nur hierbleiben können, wenn er tot ist. Und von diesem Tag an werden die Biber nur noch sterben, wenn das Land ihnen sagt, daß die Zeit zum Sterben gekommen sind.
Offiziell war de Maurepas der französische Kommandant von Detroit, doch Ta-Kumsaw mied ihn, wann immer er konnte. Es lohnte sich nur, mit Napoleon Bonaparte, seinem Stellvertreter, zu reden.
»Ich habe gehört, daß Ihr am Lake Mizogan wart«, sagte Napoleon. Natürlich sprach er Französisch, doch Ta-Kumsaw hatte das Französische zur gleichen Zeit wie das Englische gelernt, noch dazu von derselben Person. »Kommt, nehmt Platz.« Napoleon musterte den weißen Jungen Alvin mit vagem Interesse, sagte aber nichts zu ihm.
»Ich war dort«, erwiderte Ta-Kumsaw. »Wie auch mein Bruder.«
»Ah. Aber war auch eine
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