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Der Rote Sarg

Der Rote Sarg

Titel: Der Rote Sarg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Eastland
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»Benzin und Diesel gibt es nur hier oder beim örtlichen Kommissariat, die geben es für die Landmaschinen aus. Ein Fahrer eines Schwertransporters würde von denen aber nichts bekommen.«
    Kirow hielt das Bündel mit den Treibstoffmarken hoch, die der Leiter ihm zur Durchsicht gegeben hatte. »Könnten die vom Schwarzmarkt kommen?«
    Der Leiter schüttelte den Kopf. »Entweder sind Sie im Besitz eines Passes, der Ihnen erlaubt, Treibstoff für staatliche Zwecke zu requirieren, oder Sie haben Marken wie alle anderen auch. Die Marken müssen mit dem Namen auf Ihrem Führerschein und Ihrem Ausweis übereinstimmen. Ich mach das jetzt seit fünfzehn Jahren, glauben Sie mir, ich weiß, welche Marken echt und welche gefälscht sind.«
    Während der Leiter den Wagen auftankte, öffnete Pekkala den Kofferraum und starrte auf das Kurzwellen-Funkgerät, das ihnen Gorenko gegeben hatte. Das gleiche Gerät wurde im T-34 zur Kommunikation mit der weit hinter der Front gelegenen Artillerie oder der Luftunterstützung verwendet. Sollte ihr Einsatz erfolgreich verlaufen, konnten sie damit vor Ablauf der Achtundvierzig-Stunden-Frist eine Meldung auf einem eigens dafür festgelegten Kanal an den Kreml absetzen. Ansonsten würde Stalin, wie angekündigt, motorisierte Einheiten an die polnische Grenze verlegen.
    Neben dem Funkgerät lag das klobige PTR. Je länger Pekkala auf die Panzerbüchse starrte, desto weniger kam es ihm wie eine Waffe vor; in seinen Augen glich es eher einer Krücke für einen fußlahmen Riesen. Das Titangeschoss bewahrte er in einer mit einer Sicherheitsnadel verschlossenen Tasche seiner Weste auf.
    »Lassen Sie es gut sein!«, sagte Kirow und schloss den Kofferraum. »Es wird da sein, wenn wir es brauchen.«
    »Aber wird es reichen?«, fragte Pekkala. Der Gedanke, dass sie zu spät kamen, um Kropotkin vom Grenzübertritt nach Polen abzuhalten, wollte ihm nicht mehr aus dem Kopf.
    Irgendwann, nachdem sie achtzehn Stunden unterwegs gewesen waren, schlief Kirow am Steuer ein. Der Emka kam von der Straße ab und landete in einem Sonnenblumenfeld. Zum Glück gab es keinen Graben, sonst wäre der Emka Schrott gewesen.
    Karosserie und Windschutzscheibe waren von einem dünnen Staubfilm und den blassgrünen Zungen kleiner Sonnenblumenblätter überzogen. Wortlos stieg Kirow aus, trat an die hintere Tür und öffnete sie. »Raus«, sagte er zu Maximow.
    Maximow kam der Aufforderung nach.
    Kirow schloss die Handschellen auf. Dann zeigte er auf den leeren Fahrersitz.
    Maximow setzte sich ans Steuer, die beiden Ermittler schoben am Fahrzeugheck, und so brachten sie den Emka aus dem Feld und wieder auf die Straße.
    Hoch über ihnen kreisten Geier träge auf den heißen Aufwinden. Um sie herum die ländliche Welt und ihre staubige Trockenheit, deren kräftiger Geruch an geriebene Muskatnuss erinnerte.
    Von da an fuhren sie in Zwei-Stunden-Schichten. Als sie im Wald von Rusalka eintrafen, hatten alle drei einen Erschöpfungszustand erreicht, in dem sie nicht mehr schlafen konnten, selbst wenn sie es gewollt hätten.
    Auf der Karte glichen die Wälder einer gezackten grünen Glasscherbe. Mitten durch sie führte die polnisch-russische Grenze, die auf der Karte lediglich durch eine wellenförmige gepunktete Linie markiert war.
    Das Waldgebiet befand sich etwa vierhundertfünfzig Kilometer östlich von Warschau. Laut Pekkalas Karte lagen nur ein paar Dörfer auf dem russischen Abschnitt des Waldes, mehrere aber auf der polnischen Seite. So als wäre er damit besser auf das vorbereitet, was sie hier erwartete, hatte Pekkala die Karte mittlerweile so eingehend studiert, dass er sie auswendig im Kopf hatte.
    Es war später Nachmittag, als sie das winzige Dorf Zorowka erreichten, die letzte russische Siedlung, bevor der Weg im Wald verschwand. Das Dorf bestand aus einem halben Dutzend strohgedeckter Häuser, die eng aneinandergedrängt zu beiden Seiten der Straße standen. Empört dreinblickende Hühner stolzierten über die Straße, auf der so selten Verkehr vorbeikam, dass sie vom Emka erst Notiz nahmen, als er sie schon fast überrollt hätte.
    Das Dorf schien verlassen, nur eine Frau war zu sehen, die den Boden in ihrem Garten bestellte. Sie hob noch nicht einmal den Kopf, als der Wagen vorbeifuhr, sondern harkte weiter die trockenen Erdschollen, als wäre nichts gewesen.
    Dass sie nicht aufblickte, konnte nur bedeuten, dass sie sie erwartet haben musste – zu dieser Schlussfolgerung kam jedenfalls Pekkala. »Anhalten«,

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