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Der Rote Sarg

Der Rote Sarg

Titel: Der Rote Sarg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Eastland
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befahl er.
    Kirow trat auf die Bremse.
    Pekkala stieg aus, überquerte die Straße und ging zu der Frau, die ihm immer noch keine Beachtung schenkte.
    Unter den Spuren eines Pferdewagens und den Abdrücken von Hufen erkannte Pekkala das Profil von schweren Reifen. Sie waren auf dem richtigen Weg. »Wann ist der Lastwagen durchgekommen?«, fragte er die Frau hinter dem Gartenzaun.
    Sie hörte mit dem Harken auf und hob den Kopf. »Wer sind Sie?«, fragte sie.
    »Ich bin Inspektor Pekkala vom Büro für besondere Operationen in Moskau.«
    »Ich weiß nichts von einem Lastwagen«, sagte sie so laut, dass sich Pekkala fragte, ob sie schwerhörig war.
    »Ich kann hier die Reifenspuren sehen«, sagte Pekkala.
    Die Frau trat an den Zaun und sah auf die Straße. »Ja«, schrie sie fast, »die sehe ich auch, trotzdem weiß ich nichts von einem Lastwagen.« Dann sah sie ihn an, und ihr Blick verriet, dass sie log. Mehr als das – sie wollte, dass er es bemerkte.
    Pekkala spannte sich innerlich an. Er sah zu Boden, als würde er durch irgendetwas abgelenkt. »Ist er hier?«, flüsterte er.
    »Er war hier«, flüsterte die Frau.
    »Wann?«
    »Gestern Nachmittag.«
    »War er allein?«
    »Ich habe sonst keinen gesehen.«
    »Wenn er fort ist«, fragte Pekkala, »warum haben Sie dann Angst?«
    »Die anderen verstecken sich in ihren Häusern, sie beobachten uns und hören jedes Wort, das wir miteinander reden. Wenn etwas passiert, werden sie mir die Schuld geben, weil ich mit Ihnen gesprochen habe. Aber ich könnte es mir nicht verzeihen, wenn ich nichts gesagt hätte.«
    »Wenn was passiert?«, fragte Pekkala.
    Die Frau starrte ihn kurz an. »Der Mann, der den Lastwagen gefahren hat, hat einen mitgenommen. Einen aus dem Dorf. Er heißt Maklarskij und ist Förster im Rusalka.«
    »Warum sollte er jemanden entführen?«, fragte Pekkala.
    »Erst hat der Fahrer gesagt, er brauchte Diesel für den Lastwagen. Aber wir bekommen doch nur unsere Monatsration vom Kommissariat, wir haben einen Traktor, und unsere Ration reicht noch nicht einmal für den. Also haben wir gesagt, nein, kein Diesel. Dann hat er gefragt, ob ihm jemand den Weg zur Grenze zeigen könnte. Im Rusalka patrouilliert die polnische Kavallerie. Unsere Soldaten kommen gelegentlich hier durch, etwa einmal im Monat, die Polen aber sind fast jeden Tag im Wald. Es gibt dort viele Wege. Man kann sich leicht verirren. Wir haben ihm gesagt, er soll zurück auf die Moskauer Fernstraße und dort die Grenze nach Polen überqueren. Da hat er eine Pistole gezogen.«
    »Wie hat er ausgesehen?«, fragte Pekkala.
    »Breite Schultern, großes, kantiges Gesicht, Schnauzbart. Blondes Haar, das allmählich grau wird.«
    »Er heißt Kropotkin«, sagte Pekkala, »und er ist sehr gefährlich. Es ist äußerst wichtig, dass ich diesen Mann aufhalte, bevor er nach Polen kommt.«
    »Dort ist er vielleicht schon«, sagte die Frau.
    »Wenn es so wäre«, antwortete Pekkala, »hätten wir es erfahren.«
    »Dieser Mann hat gesagt, es würden Leute kommen, die ihn suchen. Er hat gesagt, wir sollen Ausschau halten nach einem Mann in einem schwarzen Mantel und einem Abzeichen am Revers, das aussieht wie ein Auge.«
    Pekkala stellte das Revers hoch. »Er hat das gemeint.«
    »Ja«, sagte die Frau und starrte auf das Smaragdauge. »Er hat uns gesagt, wenn wir den Mund halten, würde er seine Geisel freilassen. Aber ich glaube ihm nicht. Deswegen rede ich mit Ihnen. Die anderen haben zu große Angst. Ich heiße Zoja Maklarskaja, und der Mann, von dem ich erzählt habe, ist mein Vater. Es ist meine Entscheidung, ob ich mit Ihnen rede, wir werden dann ja sehen, ob es etwas nützt oder schadet.«
    »Wir werden alles tun, um Ihren Vater zurückzubringen«, sagte Pekkala.
    Mit einem Nicken wies die Frau auf die staubige Straße. »Die Spuren führen zu ihm«, sagte sie. »Aber beeilen Sie sich, damit Sie ihn noch finden, bevor es dunkel wird. Ist es erst Nacht in den Wäldern, verirren sich dort sogar die Wölfe.«
    Als sich Pekkala umdrehte, erhaschte er im Fenster des Hauses auf der gegenüberliegenden Seite ein Gesicht, das sich rasch wieder in den Schatten zurückzog.

    Im Licht der Dämmerung folgten sie Kropotkins Spuren in den Wald. Die hohen Bäume schlossen sich über ihnen. Das Licht der untergehenden Sonne fiel durch die Äste und legte sich auf Lichtungen, auf denen die Grassoden so funkelnd schimmerten wie der Smaragd in Pekkalas goldgerahmtem Auge.
    Die Straße selbst schien die Grenze zu

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