Der Rote Sarg
Pekkala?«
»Ich werde nicht ganz allein sein«, erklärte er. »Mein Assistent wird mich begleiten, dazu noch ein zweiter Mann. Sein Name lautet Maximow.«
»Sie meinen den, der Kropotkin beim Diebstahl des Panzers geholfen hat?«
»Ja. Er hat eingewilligt, mit uns zusammenzuarbeiten.«
»Und Sie brauchen diesen Mann?«
»Wir sind meines Erachtens auf ihn angewiesen, wenn wir mit Kropotkin verhandeln wollen.«
»Und wenn Kropotkin nicht verhandeln will?«
»Dann werden wir andere Maßnahmen ergreifen.«
»Andere Maßnahmen?«, fragte Stalin. »Welche Zauberei haben Sie auf Lager, Pekkala?«
»Keine Zauberei. Tungsten-Stahl.«
»Eine neue Waffe?«
»Ja«, erwiderte Pekkala. »Sie ist noch in der Erprobungsphase. Wir werden sie vor unserer Abfahrt noch testen.«
»Warum habe ich von ihr noch nichts gehört?«
»Wie so vieles, Genosse Stalin, hat Nagorski auch diese Waffe geheimgehalten.«
»Aber nicht vor mir!«, brüllte Stalin ins Telefon. »Ich bin der Geheimnisträger. Vor mir hat man keine Geheimnisse! Erinnern Sie sich noch an die vom britischen Geheimdienst gestreuten Gerüchte? Dass wir vorhaben, über Polen hinweg die Deutschen anzugreifen? Die Deutschen glauben diese Gerüchte, Pekkala, und wenn Sie diesen Panzer nicht aufhalten, werden sie glauben, dass genau das jetzt eintritt! Unser Land ist noch nicht bereit für einen Krieg! Machen Sie sich an die Arbeit, Pekkala! Sie haben achtundvierzig Stunden, um diesen Panzer aufzuhalten. Danach schicke ich die Armee.«
»Ich habe verstanden«, sagte Pekkala.
»Wissen Sie«, fragte Stalin, »dass ich auch einen Sohn namens Konstantin habe?«
»Ja, Genosse Stalin.«
Stalin seufzte, was sich in Pekkalas Ohren wie prasselnder Regen anhörte. »Stellen Sie sich nur vor«, flüsterte er, »von seinem eigenen Fleisch und Blut umgebracht zu werden.«
Bevor Pekkala darauf antworten konnte, hörte er das Klicken des aufgelegten Hörers.
Als sich die Sonne über den Bäumen erhob, spähte Pekkala durch ein Fernglas auf das entfernte Ende des Erprobungsgeländes. Zwischen den Linien der Mess-Skala war der Rumpf eines T-34 mit der weißen Nummer 5 auf dem Turm deutlich zu erkennen.
»Bereit?«, fragte er.
»Bereit«, antwortete Kirow. Er lag auf dem Boden und drückte sich den Schaft des PTR gegen die Schulter; der Lauf der Waffe ruhte auf dem Zweibein. Kirow war eben erst aus Moskau eingetroffen, nachdem Pekkala ihn zwei Stunden zuvor angerufen hatte.
»Feuer!«, rief Pekkala.
Ein gewaltiger Knall erschütterte die Luft. Am Turm des T-34 leuchteten zwei glühend rote Blitze auf, gefolgt von einer Rauchwolke. Als sich der Rauch verzogen hatte, war an der Stelle, an der das Geschoss aufgeprallt war, nur noch der blanke Stahl zu erkennen; die weiße Ziffer war zur Hälfte ausgelöscht. Pekkala nahm das Fernglas ab. »Was ist passiert?«, fragte er.
»Das Geschoss ist von der angewinkelten Panzerung abgelenkt worden«, antwortete Gorenko.
Kirow lag immer noch mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen auf dem Boden, ganz betäubt vom Rückschlag des Gewehrs. »Ich glaube, ich habe mir den Kiefer gebrochen«, murmelte er.
»Zumindest haben Sie getroffen«, sagte Pekkala.
»Spielt keine Rolle, ob man trifft oder nicht«, sagte Gorenko. »Der Schuss muss perfekt sitzen, damit er die Wand durchschlägt. Die Panzerung ist an der Stelle siebzig Millimeter dick.«
»Hören Sie, Professor«, sagte Kirow und nahm eine weitere Patrone zur Hand. »Was passiert, wenn in der Schlacht auf so einen Panzer gefeuert wird?«
»Kommt drauf an«, erwiderte Gorenko nüchtern, »womit Sie darauf schießen. Kugeln prallen einfach ab. Die hinterlassen keinen tieferen Abdruck als ein Finger in kalter Butter. Selbst manche Artilleriegranaten dringen nicht durch. Sie erzeugen einen Heidenlärm, aber das ist allemal besser als ein die Panzerung durchschlagendes Geschoss.«
»Und was geschieht, wenn ein Geschoss die Panzerung durchschlägt?«
Gorenko nahm Kirow die Patrone aus der Hand und klopfte gegen deren Ende. »Wenn dieses Geschoss das Fahrzeug trifft«, erklärte er, »hat es eine Geschwindigkeit von eintausendundzwölf Metern pro Sekunde. Wenn es in den Kampfraum eindringt, prallt es von den Innenwänden ab und saust hin und her.« Er drehte die Patrone, so dass sie sich erst in die eine, dann in die andere Richtung zu überschlagen schien. »Das macht das Geschoss Dutzende, Hunderte, Tausende Mal. Jeder im Panzer wird zerfetzt, als würde er mit einem
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