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Der Rote Sarg

Der Rote Sarg

Titel: Der Rote Sarg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Eastland
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richtig tief eingesunken, und ich dachte schon, dass jeden Moment das Wasser reinlaufen müsste. Aber mein Vater hat sich keine Sorgen gemacht, er hat nur gesagt, dass dieser Panzer durch alles fahren kann. Und weil es im Innenraum sehr laut war und wir uns nur sehr schlecht verständigen konnten, haben wir bei laufendem Motor ausgekuppelt und sind hinaus auf den Turm gestiegen.«
    »Und was ist dann geschehen?«, fragte Pekkala.
    »Er hat sich zu mir umgedreht, und plötzlich hat er nicht mehr gelacht, sondern gesagt: ›Egal was geschieht, du sollst wissen, dass ich deine Mutter sehr liebe.‹ Dann wollte er wieder rein, und in diesem Moment ist ihm die Pistole aus der Tasche gefallen. Sie ist hinten auf der Motorabdeckung gelandet, und weil ich am nächsten dran war, hat er mich gebeten, sie ihm zu holen. Bis dahin, bis ich die Pistole in der Hand hielt, habe ich nicht im Traum daran gedacht, ihm etwas anzutun, ich schwöre es. Aber dann musste ich an das denken, was er gesagt hat – dass er meine Mutter liebt. Und mit einem Mal war es mir unerträglich, dass er mit einer solchen Lüge ungestraft davonkommt. Er stand oben auf dem Turm mit dem Rücken zu mir und hat über das schlammige Gelände gesehen, als wäre es der schönste Ort der Welt.«
    »Und dann hast du ihn erschossen?«
    Der Junge überhörte die Frage. »Kurz davor war ich noch so wütend auf ihn gewesen, aber als ich ihn ins Wasser fallen sah, war mein Zorn schlagartig verschwunden. Ich konnte nicht glauben, was ich getan hatte. Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, Inspektor, aber selbst mit der Pistole in der Hand war ich mir nicht sicher, dass ich es gewesen bin. Es war, als hätte jemand anderes abgedrückt. Ich weiß nicht, wie lang ich da gestanden habe. Sehr lang, vielleicht waren es aber auch nur ein paar Sekunden. Dann bin ich wieder in den Panzer, habe den Gang eingelegt und wollte aus der Grube fahren.«
    »Warum?«
    »Ich war ja ganz panisch. Ich dachte mir, vielleicht könnte ich es wie einen Unfall aussehen lassen. Es wusste ja keiner, dass ich an diesem Tag mit meinem Vater zusammen war. Sogar meine Mutter wusste nichts davon. Aber ich bin mit dem Panzer nicht zurechtgekommen. Ich war fast aus der Grube, als ich plötzlich den Motor abgewürgt habe, der Panzer ist wieder zurückgerutscht, und mein Vater wurde unter den Ketten zerquetscht. Dann bin ich raus und zum Lagergebäude gerannt. Dort habe ich mich versteckt. Ich war ja über und über mit Schlamm beschmiert und habe mich nicht hinausgetraut. Bis mich jemand entdeckt hat und ich abhauen musste, also bin ich in den Wald gelaufen. Und da sind Sie mir hinterher, und Hauptmann Samarin wurde getötet.«
    »Aber woher wusstest du, welchen Weg du einschlagen musst, damit dir nichts passiert? Hattest du keine Angst vor den Fallen?«
    »Mein Vater hat kleine Metallscheiben an die Bäume genagelt. Sie folgen einem bestimmten Farbschema. Rot, blau, gelb. Solange man in dieser Reihenfolge den Farben nachgeht, passiert einem nichts. Er hat es niemandem gesagt außer mir.«
    Pekkala war in Gedanken bereits bei dem, was mit Konstantin jetzt geschehen würde. Er war alt genug, um nach dem Erwachsenenstrafrecht verurteilt zu werden. Trotz aller mildernder Umstände würde er mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Tod verurteilt werden. Pekkala musste an sein erstes Gespräch mit Konstantin denken, als der Junge ihn gebeten hatte, den Mörder seines Vaters zu finden. »Finden Sie ihn«, hatte Konstantin gesagt. »Finden Sie ihn und sorgen Sie dafür, dass er hingerichtet wird.« Bereits mit diesen Worten, gesprochen zu dem Mann, von dem er wissen musste, dass er ihn eines Tages überführen würde, hatte er insgeheim die Strafe akzeptiert, die ihm unweigerlich bevorstand.
    »Bitte glauben Sie mir, Inspektor«, flehte Konstantin, »ich wollte Ihnen keinen Schaden zufügen. Ich habe nur Maximows Wagen gesehen und gedacht, dass er es wäre. Ich weiß noch nicht einmal, warum Sie überhaupt gekommen sind.«
    »Deine Mutter hat mich angerufen. Sie hat sich Sorgen um dich gemacht, nachdem Maximow letzten Abend bei euch war. Und sein Wagen ist der einzige, der mir zur Verfügung stand. Was ich nicht begreife, Konstantin: Wenn du Maximow so sehr traust, warum wolltest du ihn dann umbringen?«
    »Weil ich nach allem, was passiert ist, nicht mehr weiß, wem ich überhaupt noch trauen kann. Maximow war völlig irr, als er letzten Abend bei uns aufgetaucht ist. Wir haben ihn angebrüllt und angefleht, dass er

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