Der Rote Sarg
mir Ihren Wagen.«
Aber Maximow war schon wieder eingeschlafen.
Pekkala zog Maximow die Autoschlüssel aus der Hosentasche und ging nach draußen. Er hatte gerade auf dem Fahrersitz Platz genommen, als eine Tür der Fertigungshalle aufging und ein Mann herausgelaufen kam.
Es war Gorenko. »Inspektor? Sind Sie das? Ich muss mit Ihnen reden, Inspektor! Ich hab was ganz Schreckliches gemacht! Wir haben uns doch neulich unterhalten! Kurz darauf ist Uschinskij aufgetaucht und ist ausgerastet, als er erfahren hat, dass ein T-34 zur Serienproduktion abgeholt wurde – genau, wie ich Ihnen gesagt habe. Er hat herumgebrüllt, der Prototyp sei noch nicht fertig, genauso gut könnten wir ihn gleich den Deutschen geben! Ich habe versucht, Sie anzurufen, Inspektor. Ich wollte, dass Sie mit ihm reden, wie wir es vereinbart haben, aber in Ihrem Büro ist keiner rangegangen, also habe ich Major Lysenkowa angerufen. Ich habe ihr erzählt, was vorgefallen ist, und ihr gesagt, dass ich jemanden brauchte, der ihn zur Vernunft bringt. Jetzt habe ich gehört, dass er verhaftet wurde. Er wird in der Lubjanka festgehalten! Inspektor, Sie müssen ihm helfen!«
Pekkala hatte bislang mit zusammengebissenen Zähnen zugehört, aber jetzt ging er hoch. »Was glauben Sie wohl«, schrie er, »was passieren wird, wenn Sie Major Lysenkowa anrufen? Solange Nagorski am Leben war, hat er Sie vor diesen Leuten geschützt. Nagorski hat ganz genau gewusst, wozu solche Leute fähig sind. Sie haben hier draußen in einer Seifenblase gelebt, Professor. Sie haben ja nicht die geringste Ahnung. Diese Leute sind gefährlich, gefährlicher noch als die Waffe, die Sie für sie gebaut haben!«
»Ich wusste mit Uschinskij doch nicht mehr weiter.« Gorenko rang die Hände. »Ich wollte doch nur, dass jemand mit ihm redet.«
»Na, das haben Sie geschafft«, sagte Pekkala. »Ich habe alles getan, was ich für Ihren Kollegen noch tun konnte.«
»Da ist noch etwas, Inspektor. Etwas, was ich nicht verstehe.«
Pekkala drehte den Zündschlüssel um. »Das wird warten müssen«, rief er ihm im Dröhnen des Automotors zu.
Verzweifelt hob Gorenko beide Arme, bevor er sich umdrehte und in die Fertigungshalle zurückging.
Pekkala wendete den Wagen und schlug die Richtung zum Nagorski-Haus ein. Wieder überlegte er, was aus Jelena und Konstantin werden würde, nachdem das T-34-Projekt nun abgeschlossen war. Keiner der beiden schien auf die Welt außerhalb der Anlage vorbereitet zu sein. Wie schade, dass sich Maximow so unmöglich benommen hatte, dachte Pekkala. Nach allem, was er über ihn wusste, würde er wahrscheinlich einen guten Gefährten für Jelena und einen ganz anständigen Vater für den Jungen abgeben.
Pekkala war ganz in Gedanken versunken, als er plötzlich ein lautes Knacken hörte und etwas gegen die Windschutzscheibe knallte. Im ersten Moment dachte er, ein Vogel wäre dagegen geflogen – eine Eule, die zu dieser Nachtzeit auf der Jagd war. Kühle Luft pfiff durch das geborstene Glas. Pekkala überlegte noch, ob er weiterfahren oder anhalten sollte, als mit einem Schlag die gesamte Windschutzscheibe explodierte. Glassplitter regneten auf ihn nieder, Scherben prallten von seinem Mantel ab, dann spürte er einen scharfen Schmerz in der Wange, als sich ein Splitter in seine Haut bohrte.
Bis er begriff, dass der Wagen außer Kontrolle geriet, war es schon zu spät. Die Hinterräder brachen auf dem schlammigen Untergrund seitlich weg, worauf sich der gesamte Wagen um die eigene Achse drehte. Es folgte ein gewaltiger Knall, er krachte mit dem Kopf gegen die Seitenscheibe, dann war es mit einem Mal still.
Der Wagen stand im Graben, die Frontpartie zeigte in die Richtung, aus der er gekommen war. Er öffnete die Tür und fiel ins nasse Gras. Eine Weile lang blieb er auf Händen und Knien, ohne zu wissen, ob er aufstehen konnte, und versuchte, sich zusammenzureimen, was passiert war. Alles vor ihm drehte sich, aber er glaubte nicht, dass er schwer verletzt war. Langsam erhob er sich und lehnte sich mit zittrigen Beinen gegen den Wagen.
Und erst jetzt bemerkte er, dass jemand auf der Straße stand. Er konnte nur die Silhouette eines Mannes erkennen. »Wer ist da?«, rief er.
»Du hättest verschwinden sollen, als du dazu noch in der Lage warst«, sagte die Silhouette.
Die Stimme kam Pekkala bekannt vor, aber er konnte sie nicht einordnen.
Dann blitzte in der Finsternis ein Schuss auf.
Sofort hörte Pekkala, wie das Geschoss neben ihm in der Wagentür
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