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Der rote Tod

Der rote Tod

Titel: Der rote Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pat N. Elrod
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und demütig durch diesen reinen Beweis ihres Mutes und ihrer Liebe. Als sei sie mein Spiegelbild, strömten kristallklare Tränen ihre Wangen herab.
    »Oh, kleiner Bruder ...«, begann sie, aber konnte den Satz nicht beenden.
    Stattdessen öffnete sie ihre Arme und zog mich fest an sich, und wir hielten uns aneinander fest und weinten, als seien wir wieder Kinder. Dadurch, dass wir dies miteinander teilten, fanden wir gemeinsamen Trost.
    Als der schlimmste Sturm vorbei war, zog sie ein schlaffes Taschentuch aus der Tasche ihres Morgenrocks und wischte sich über Augen und Nase. »Ich habe keins für dich«, meinte sie entschuldigend.
    Ich lachte ein wenig, darüber, dass sie sich über eine solche Bagatelle Gedanken machte. »Das macht nichts.«
    Wir sahen uns an, und ich fühlte mich verlegen und beschämt weil ich der Grund für ihren Schmerz gewesen war. Elizabeth schien zwischen Freude und Schrecken zu schwanken. Dies wurde uns gleichzeitig klar, und ebenso, dass dies nicht der Ort war, um unsere vielen Fragen zu klären.
    »Komm«, flüsterte sie. Ich kam wieder auf die Füße und folgte ihr. Meine Beine zitterten vor Erleichterung und Angst.
    Sie hatte die Tür zu ihrem Raum offen gelassen, aber schloss sie, als wir drinnen waren. Im Zimmer gab es Hinweise auf die Rastlosigkeit, die sie zu so später Stunde wach gehalten hatte. Das zerwühlte Bettzeug war zurückgeschlagen, und mehrere Kerzen brannten nieder, um die Dunkelheit der Nacht und der Seele zu zerstreuen. Ihre Bibel und ihr Gebetbuch lagen aufgeschlagen auf ihrem Tisch, neben einer Flasche von Vaters gutem Brandy. Während sie eine Schublade nach frischen Taschentüchern durchwühlte, goss ich ihr einen ordentlichen Schluck ein.
    »Du brauchst es«, meinte ich.
    »Bei Gott, das ist wahr«, stimmte sie zu. Ich putzte mir die Nase, als sie den Brandy austrank. Da dieser Stoff wesentlich stärker war als der Wein, an den sie gewöhnt war, hatte er sofort seinen üblichen Effekt auf sie, denn sie fiel geradezu in ihren Sessel, als ihre Beine ihr den Dienst versagten.
    Ich starrte sie an, als sähe ich sie zum ersten Mal. Ich sah sie wahrhaftig mit neuen Augen. Wie musste Lazarus nach seiner Rückkehr von den Toten seine eigenen Schwestern angesehen haben? Es wurde mir klar, dass dieser Vergleich ausgesprochen blasphemisch war, aber ich fand keine anderen Beispiele in meiner Erinnerung. Sah er, wie verletzlich sie war? Fühlte er sich ebenso gealtert und erschöpft durch die Erfahrung? Oder vielleicht hatte ihm die Stärke des Glaubens mehr Kraft gegeben, als es bei mir der Fall war.
    Die horchende Stille des Hauses durchdrang mich so durch und durch, dass ich Elizabeths Herz schlagen hören konnte. War es vorher Teil der Hintergrundgeräusche gewesen, schien es nun den Raum mit seinem schnellen Pochen zu erfüllen. Ich kniete mich wieder hin und nahm ihre Hand. Ich drückte die Innenseite ihres schlanken Handgelenks gegen mein Ohr. Und diese Musik war nur eins von vielen Tausenden anderer kostbarer, vergänglicher Dinge, die ich niemals geschätzt oder auch nur gekannt hätte ohne Noras ... Geschenk.
    Elizabeth spreizte ihre Finger, um mein Haar zu streicheln. »Oh, Jonathan, wie ist dies möglich?«
    »Ich habe keine einfache Antwort für dich.«
    Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Ihre Gesichtsfarbe kehrte zurück.
    »Ich glaube nicht, dass ich eine erwarten konnte.«
    »Geht es allen gut? Geht es Vater gut?«
    Ihre Miene wurde niedergeschlagen. »Was passiert ist, hat ihn völlig umgeworfen.«
    »Großer Gott, ich muss zu ihm ...« Ich machte mich auf den Weg zur Tür.
    »Er ist nicht zu Hause. Er ging am späten Nachmittag fort, zu Mrs. Montagu. Ich habe ihn dazu gebracht«, fügte sie hinzu, als ob sie sich für seine Abwesenheit entschuldigen müsse. »Sie konnte unmöglich herkommen, und er brauchte sie.«
    Dann wäre er zumindest bei jemandem, der ihn liebte. »Das ist in Ordnung, ich verstehe, aber ich muss bald mit ihm sprechen.«
    »Natürlich. Wir müssen sofort hinübergehen.«
    »Ja. Es wird für ihn besser sein, wenn du dabei bist. Aber bitte sag mir, wo meine Kleider sind.«
    Ich musste sehr verzweifelt geklungen haben. Sie schlug plötzlich eine Hand vor den Mund, um ein Gelächter zu ersticken, das in Tränen umzuschlagen drohte. Sie lehnte sich nach vorne und hielt mich fest, den Kopf auf meiner Schulter. Ich wollte, dass sie dort blieb, aber es gab noch so viel zu tun. Sie zog sich zurück, um sich die Nase zu putzen. Ihre Nase

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