Der rote Tod
Das kleine Mädchen gehorchte und beeilte sich, die große Eingangstür weit zu öffnen. Draußen stand ein abgenutzt wirkender Vierspänner, und es herrschte viel Betriebsamkeit um Gepäck und zwei aussteigende Passagiere. Mit einem breiten Lächeln begab sich Mutter nach draußen, um die Gäste zu begrüßen.
Ich rutschte unbehaglich hin und her und warf Jericho einen Seitenblick zu. Er zuckte leicht mit den Achseln. Nachdem ich einen extrem langen Monat lang Mutters schrulliges Temperament ertragen hatte, fiel es mir schwer, mir vorzustellen, dass irgendjemand oder irgendetwas ihr Freude bereitete. Offensichtlich existierte die Möglichkeit; wir hatten es nur noch nie erlebt.
»Das müssen Freunde von ihr aus Philadelphia sein«, mutmaßte ich.
Draußen tauschte Mutter Wangenküsse mit einer Frau aus und streckte ihre Hand einem Mann entgegen, der eine tiefe Verbeugung darüber machte. Viel zu tief, dachte ich. Was für eine Art von Leuten würde Mutters Gesellschaft so angenehm finden, dass sie zu einem Besuch herkäme?
Durch die breite Tür blies der Wind einige vereinzelte Blätter herein und anderen ... Abfall. Das war das Wort, das mir in den Sinn kam, als ich einen guten Blick auf sie werfen konnte. Sie schritten majestätisch ins Haus und begutachteten es mit leuchtenden Augen, als ob sie die Eigentümer seien. Sie bemerkten mich gleichzeitig, und die Frau stieß einen kleinen, befriedigten Überraschungsruf aus.
»Liebste Marie, ist dies dein guter Sohn, Jonathan Fonteyn?«, verlangte sie mit lauter, ausdrucksloser und kindlich dünner Stimme zu wissen. Ich zuckte zusammen.
Mutter war fähig zu raschem Denken und schneller Beurteilung, und ihre Schlussfolgerung lautete, dass es nicht die richtige Zeit für eine Vorstellung war; ich war nicht korrekt gekleidet, um Gäste zu begrüßen.
»Einen Moment, Deborah, einen Moment, um zu Atem zu kommen, und dann werde ich ihn bitten, herzukommen und euch zu treffen.«
Deborah drehte Mutter, in der richtigen Annahme, dass ihre Bemerkung zu mir ungelegen gekommen war, ein freudestrahlendes Gesicht zu und ignorierte mich völlig. Der Mann folgte ihrem Beispiel.
Mutter erteilte dem Dienstmädchen einen scharfen Befehl, Tee und Gebäck zu servieren, und bat ihre Gäste dann mit einer anmutigen Geste in den Salon. Als sie sich auf den Weg dorthin machten, drehte sie mir ein wütendes Gesicht zu und zeigte bedeutungsvoll nach oben.
»Großer Gott«, murmelte ich mürrisch, während ich meine wahren Gefühle hinter einem herzlichen Lächeln und einem verständnisinnigen Nicken verbarg. Jericho folgte mir, als ich in mein Zimmer floh.
»Wissen Sie, wer das ist?«, fragte er, indem er meine Kleider niederlegte und ruhig zum Kleiderschrank hinüberging.
»Freunde von ihr aus Philadelphia. Deborah Hardinbrook und ihr Bruder Theophilous Beldon. Ich habe Mutter über sie reden hören. Ausführlich. Sie ist die Witwe irgendeines Kapitäns, der auf See ertrunken ist, und er soll ein Arzt sein, Gott helfe uns. Was auch immer du tust, erwähne meine Kopfschmerzen niemandem gegenüber, damit er nicht davon Wind bekommt und anbietet, sie zu heilen.«
Jericho nahm ein weinrotes Jackett aus dem Kleiderschrank und schüttelte es aus.
»Warum dieses?«, fragte ich, als er mir hineinhalf. »Das ist nicht mein bestes.«
»Genau. Etwas wirklich Schönes zu tragen, würde diesen beiden mitteilen, dass Sie sie beeindrucken möchten. Dieses Jackett wird ihnen zeigen, dass Ihnen weniger an ihrem Wohlwollen gelegen sein könne, aber sie gleichzeitig darüber informieren, dass Sie während der Abwesenheit Ihres Vaters das Oberhaupt des Hauses sind und es ihre Aufgabe ist, Sie zu beeindrucken.«
»Das wird es?«
»Das tut es. Vertrauen Sie mir dabei, Mr. Jonathan.«
Das tat ich, denn er hatte in solchen Details immer Recht. »Elizabeth. Sie muss gewarnt werden.«
»Und das wird sie auch«, versprach er, während er ein Paar Schuhe herausnahm und die Spangen auf Flecken untersuchte. Es gab natürlich keine.
»Ich habe diese hier«, protestierte ich, indem ich auf die an meinen Füßen deutete.
»Neue Spangen an alten Schuhen«, schalt er. »Das sieht nicht richtig aus, nicht bei einem ersten Treffen.«
»Wir können sie an einem anderen Paar befestigen.«
Unbeirrt hielt er mir die Schuhe hin. »Tragen Sie diese. Sie werden Respekt einfordern. Sparen Sie sich die anderen für Sonntag auf.«
Ich murrte und tat, wie mir gesagt worden war.
In sehr wenigen Minuten war er mit mir
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