Der rote Tod
aber das dauerte nie lange.«
»Ist sie darum weggezogen?«, fragte ich.
»Teilweise. Nachdem du geboren warst, wurde es mit ihr schlimmer. Das hatte nichts mit dir zu tun, mein Kleiner. Du warst als Kind so süß, wie man es sich nur wünschen konnte, aber um ihre Nerven war es nicht zum Besten bestellt. Zu der; Zeit liebte sie mich nicht mehr, und ich ... nun, es gibt wenige Dinge im Leben, die so schlimm sind wie eine missglückte Heirat. Ich hoffe, ihr beide werdet dabei mehr Erfolg haben als ich. Sie hatte einige entfernte Vettern in Philadelphia, also ging sie fort. Ich glaube, sie fand ein wenig Glück mit solchen Freunden wie die, die sie jetzt um sich versammelt hat. Ich weiß, ich war hier glücklich.«
Einer der Holzklötze knallte geräuschvoll. Glück – bis jetzt hatte ich es immer für selbstverständlich gehalten. Wenn ich Vater ansah, begann ich das Gewicht der Last zu verstehen, die er ohne Klage in all diesen Jahren getragen hatte. Er hatte uns nicht alles erzählt, das spürte ich, aber ich nahm es mir nicht heraus, ihn nach mehr zu fragen. Was wir heute Nacht erfahren hatten, war ausreichend. Dadurch wusste ich plötzlich, dass ich selbst noch kein Mann war, sondern nur ein siebzehnjähriger Junge, der sich fürchtete.
Ich schlief schlecht für den Rest der Nacht und war sehr früh auf den Beinen, um den Sonnenaufgang zu beobachten, lange bevor er einsetzte. Das Haus lag still, und ich stellte mir vor, wie das Gebäude wartete und sich fragte, was passieren würde, wenn Mutter aus ihrem Schlaf erwachte. Ich zog mich warm an und schlich mich nach draußen zu den Ställen, um zwei Pferde zu satteln. Elizabeth und ich hatten unseren Plan, Zeit mit Mr. Rapelji zu verbringen, nicht geändert. Vater wusste davon und bestärkte uns darin. Er würde alle Hände voll zu tun haben mit Mutter und ihren Gästen und zog es vor, dass wir aus dem Weg waren. Rolly streckte hoffnungsvoll den Kopf aus seiner Box, aber ich ging an ihm vorbei, hin zu Belle und Beauty, zwei Stuten mit derselben Mutter, die beide einen sanften Charakter sowie eine ruhige Gangart aufwiesen. Rolly drückte lautstark seinen Unmut aus, wodurch er die Stallburschen weckte, die über dem Stall schliefen. Einer von ihnen kam herunter, um nachzusehen, und blieb schläfrig stehen, um beim Satteln zu helfen, bevor er in die Küche abwanderte, in der Hoffnung auf ein frühes Mahl.
Ich führte die Pferde nach draußen, wo sie an einem der Seitentore warten mussten, und machte mich dann auf den Weg, um Elizabeth zu holen. Sie war noch im Haus und zog gerade ihre Handschuhe an. Sie sah übernächtigt aus, was mir zeigte, dass sie ebenfalls nicht gut geschlafen hatte. Auf ihrem Gesicht, dort, wo Mutters Faust getroffen hatte, schimmerte ein großer, furchtbar aussehender Bluterguss. Sie hatte sich nicht bemüht, ihn zu überdecken oder zu verbergen.
»Wir müssen nicht gehen«, meinte ich. »Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass du gerufen wirst, um die Nachbarn zu besuchen.«
»Nein, aber ich kann es einfach nicht ertragen, in diesem Haus zu sein. Abgesehen davon war dies hier nicht meine Schuld.« Sie neigte den Kopf, um den entstandenen Schaden zu zeigen. »Es gibt überhaupt nichts, für das ich mich schämen müsste. Die Leute sollen denken, was sie wollen.«
»Es macht dir nichts aus, wenn sie das über Mutter wissen?«
Elizabeths Gesicht verhärtete sich auf eine Art, die mir gar nicht gefiel.
»Keinen Deut.«
»Aber warum?«
»Warum nicht? Früher oder später werden sie anfangen mit ihren Spekulationen, mit ihren Gerüchten über sie. Wenn sie sich ohnehin Dinge ausdenken, können sie ebenso gut die Wahrheit von uns erfahren.«
»Aber das geht sie verdammt noch mal nichts an!«
»Wie du meinst.« Sie zuckte mit den Schultern. »Aber denk an meine Worte: Sie werden es tun, ob wir das nun gut finden oder nicht. Wir müssen nur ruhig bleiben und uns an die Wahrheit halten und Mutter toben lassen, wenn ihre Fantasie mit ihr durchgeht. Dann werden wir schon sehen, wie viele Freundinnen und Freunde sie hat.«
Ich war ziemlich verwirrt über diese harte Einstellung, da sie sehr untypisch für Elizabeth war, aber dann begann ich zu verstehen. »Du tust das in der Hoffnung, dass Mutter ...?«
»Ein Wort hier und eins dort, und sie wird gemieden werden von denen, die hier als feine Gesellschaft gelten. Das ist es doch, was sie ersehnt und wofür sie lebt, die kindische Aufmerksamkeit und Anerkennung ihrer so genannten
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