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Der rote Tod

Der rote Tod

Titel: Der rote Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pat N. Elrod
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schwebte.
    Und so begann meine wirkliche Ausbildung in Cambridge.
    Nora brachte mir viel über die Sinnlichkeit bei, und sie war stets daran interessiert, meine Talente zu erforschen und zu fördern. Während andere ihre Erfahrung vielleicht geschmäht hätten, genoss ich sie. Nora erfüllte mein Leben, meine Gedanken, die Speise, die ich zu mir nahm, und die Luft, die ich atmete – aber als das Semester anfing, musste ich der Notwendigkeit weltlicheren Lernens ins Gesicht sehen. Aber für ihren sanften Druck, mit der Aufgabe zu beginnen und dann zu vollenden, was ich angefangen hatte, hätte ich die Universität vollkommen aufgegeben, um all meine Zeit mit ihr zu verbringen.
    Meine Aktivitäten waren – meiner Ansicht nach – zu ungleichen Teilen zwischen dem Studium, dem gesellschaftlichen Verkehr mit meinen Freunden und Nora aufgeteilt. Ich wollte ständig mit ihr zusammen sein, aber gab ihrem süßen Beharren nach, dass sie einige Stunden für sich und ihre eigenen Freunde brauchte. Bald hatten wir ein Schema gefunden, das uns beiden zusagte. Ich besuchte sie an mehreren Abenden in der Woche, so wie es mein Studium zuließ. Falls ich am nächsten Tag nicht früh aufstehen musste, blieb ich ziemlich lange und gelegentlich die ganze Nacht. Ihre einzige irritierende Angewohnheit war es, immer als Erste aufzuwachen und mich weiterschlafen zu lassen. Das fand ich irritierend, denn ich hätte gerne die Möglichkeit gehabt, sie vor dem Abschied noch ein Mal zu lieben. Ich schalt sie deswegen, denn zumindest hätte sie doch zum gemeinsamen Frühstück mit mir bleiben können.
    »Ich bin morgens nicht so gut in Form, Jonathan«, erwiderte sie. »Also bitte mich nicht, bei dir zu bleiben.«
    »Dann am Nachmittag.«
    »Nein.« Sie blieb fest, aber freundlich. »Deine Tage sind dein, wie meine für mich. Das war schon immer meine Art. Ich liebe dich sehr, aber bitte verlange nicht von mir, mich zu ändern. Das ist die einzige Sache, die ich nicht für dich tun werde.«
    Wenn sie es so sagte, konnte ich ihr dies kaum abschlagen, obwohl es mich damals beunruhigte.
    Von ihren übrigen Freunden sah ich wenig. Traf ich zu früh ein, wartete ich entweder auf der Straße, oder Mrs. Poole hielt einen kleinen Schwatz mit mir, bis sie sich verabschiedeten. Ich konnte nicht verhindern zu bemerken, dass viele von ihnen Kommilitonen waren, darunter Tony Warburton. Sie waren natürlich jung, ausnahmslos gut aussehend, gesund und wohlhabend. Niemand von ihnen blieb sehr lange, kaum mehr als zehn Minuten, als ob sie nur kurz vorbeigekommen seien, um ihre Aufwartung zu machen, bevor sie zu einer anderen Besorgung aufbrachen. Sie schenkten mir und sogar einander wenig Aufmerksamkeit, was mir seltsam erschien, bis ich zu dem Schluss kam, dass sie nur Noras Bitte um Diskretion Folge leisteten. Natürlich tauchte ihr Name in Gesprächen nicht auf, wenn wir uns anderswo trafen.
    Ich fühlte keine Eifersucht ihnen gegenüber, und obwohl sie sich meiner bewusst waren, spürte ich auch keine, die gegen mich gerichtet war. Tony Warburton war da eine Ausnahme, obwohl vieles von dem, was ich beobachtete, nur in meiner Fantasie existiert haben mag. Hin und wieder empfand ich Gewissensbisse, und zweifellos spiegelte sich dieses Gefühl in seiner Anwesenheit auch auf meinem Gesicht wider. Dann wieder war ich geneigt, jeden seltsamen Blick oder Kommentar seinerseits als Teil des Unmuts zu interpretieren, welchen er sicherlich empfand, weil ich den speziellen Platz in Noras Herz einnahm, den er so heftig für sich selbst zu gewinnen erhofft hatte. Als die Wochen vergingen, fragte ich mich, ob ich mit ihm über sie sprechen sollte, aber wenn ich das Thema Nora gegenüber erwähnte, riet sie mir entschlossen davon ab und sagte zu mir, ich solle mir keine Sorgen machen.
    Warburtons Verhalten mir gegenüber war im Übrigen offen und freundlich, wie es gewesen war, als wir einander vorgestellt wurden, aber einige Merkmale seiner Persönlichkeit hatten sich verändert, sodass selbst Oliver einen Kommentar dazu abgab.
    »Er beschäftigt sich zur Zeit nicht sehr mit Frauen, ist dir das aufgefallen?
    Früher hat er sich in regelmäßigen Abständen verliebt, weißt du.«
    »Er ist sehr mit seinem Studium beschäftigt«, erwiderte ich.
    »Und auch mit dem Trinken.«
    Das war mir nicht aufgefallen. »Wir alle trinken, Oliver.«
    »Ja, aber er trinkt mehr als der Rest von uns.«
    »Er scheint dadurch keinen Schaden zu erleiden.«
    »Er verträgt eine Menge, aber ich

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