Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der rote Tod

Der rote Tod

Titel: Der rote Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pat N. Elrod
Vom Netzwerk:
entschieden, beispielsweise die Ställe. Sicherlich hätte es dort weniger Flöhe gegeben, als wir im Gasthof erdulden mussten.
    Nora hatte ihrer niedrigen Meinung über den Ort, der für die nächsten Jahre mein Zuhause sein würde, Ausdruck verliehen. Es war wahr, dass es in dieser Gegend nicht gerade vieles gab, das mein Interesse erweckte, aber die vielen Gebäude, aus denen sich die Universität zusammensetzte, waren wirklich großartig. Oliver kannte die Gegend sehr gut, und ich war glücklich, ihn als Führer zu haben. Ohne ihn hätte ich mich sehr bald zwischen den verschiedenen Institutsgebäuden verirrt. Er kannte sich aus und führte mich zu meinem Tutor und zeigte mir, wo ich einen Platz zum Wohnen finden konnte.
    Das Letzte war am einfachsten, denn ich konnte mir in einem Haus Räume mit Oliver und Tony Warburton teilen, indem ich ein Zimmer übernahm, das zuvor von einem Freund belegt gewesen war, welcher im letzten Semester sein Examen gemacht und dann die Universität verlassen hatte. Hoffnungsvoll schrieb ich sofort eine Liebesnachricht an Nora, in der ich ihr meine neue Adresse mitteilte, und schickte sie nach London. Cambridge war nicht sehr groß, aber ich wollte es nicht riskieren, dass wir uns gegenseitig verpassten.
    Ein Tag folgte dem anderen, und ich war sehr beschäftigt, da es tausend neue Dinge zu lernen gab, bevor das Semester begann. Dazwischen kam eine Anzahl Freunde von Oliver und Warburton her, die durch die Räume streiften, um sich zu unterhalten, miteinander zu trinken oder sogar ein Nickerchen zu machen. Es war nicht überraschend, dass viele von ihnen ebenfalls Medizin studierten, obwohl es auch ein paar Jurastudenten gab, wie ich selbst einer war. Da dieses Leben einen starken Kontrast gegenüber dem friedlichen Dasein bildete, welches ich auf Long Island gekannt hatte, begrüßte ich dieses neue Leben in all seiner Vielfalt mit offenen Armen und strebte danach, jeden Moment zu genießen.
    Aber Nora war ständig in meinen Gedanken, und obwohl meine Zeit ausgefüllt war, waren die Stunden viel zu lang. Ich machte mir Sorgen. Während ich wach war, hielt ich die ganze Zeit nach ihr Ausschau, und ich träumte von ihr, wenn ich schlief. Jedes Mal, wenn ich einen Vierspänner erblickte – und es gab davon nicht viele in Cambridge – machte mein Herz einen Satz, nur um dann wieder enttäuscht an seinen Platz zurückzusinken, wenn sich herausstellte, dass es nicht der ihre war.
    Fast eine Woche später, an einem Nachmittag mit Nieselregen, kehrten Oliver und ich von einem Essen mit einigen anderen Studenten zurück. Eine Kutsche wartete auf der Straße vor unserem Haus. Ich erkannte sie sofort, betrachtete sie aber mit Vorsicht, da ich mich daran gewöhnt hatte, meine Erwartungen zerschmettert zu sehen. Doch als ich die Livree des Kutschers sah, verwarf ich meine Zweifel. Ich eilte darauf zu, indem ich den überrumpelten Oliver in dem dünnen Nebel stehen ließ. Er rief mir ärgerlich eine Frage hinterher, die ich nicht beantwortete.
    Der Kutscher kannte mich – zum Glück, denn ich hatte sein Gesicht vergessen – und händigte mir ein gefaltetes Stück Papier aus, als ich mich ihm näherte. Es war eine Einladung. Ich überflog sie nur flüchtig, bevor ich in die Kutsche stieg, zu ungeduldig, um auf die Unterstützung des Kutschers zu warten.
    Oliver trabte heran, den Mund weit offen und mit heraustretenden Augen.
    Ich winkte ihm mit dem Blatt Papier zu. »Sie ist hier!«, rief ich aus dem Fenster, als wir wegfuhren. Er befand es nicht für nötig zu fragen, von wem ich sprach, und winkte mir mit seinem Spazierstock zu, um mir Glück zu wünschen. Kurz bevor ich mich ins Wageninnere zurückzog, fiel mein Blick auf einen Mann, der aus unserem Haus heraustrat. Er blieb einen Moment stehen und starrt e, dann drehte er sich zu Oliver um, um ihn um Auskunft zu bitten. Es sah so aus, als würde mein armer Vetter schließlich doch noch in die Angelegenheit verwickelt.
    Herzlos ließ ich ihn so zurück. Schuldgefühle, die ich empfinden sollte, weil ich den Platz einnahm, den Warburton für sich selbst ersehnt hatte, existierten einfach nicht. Ich war auf dem Weg zu Nora, und das war alles, was zählte.
    Sie wohnte in überraschender Nähe zu uns, und ich vermutete, dass sie das mit Absicht so arrangiert hatte, denn sicherlich hätte sie sich woanders etwas Moderneres leisten können. Nicht, dass das Haus, vor dem wir anhielten, eine Bruchbude gewesen wäre. Als ich hineingeführt wurde,

Weitere Kostenlose Bücher