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Der rote Tod

Der rote Tod

Titel: Der rote Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pat N. Elrod
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dann, um mich anzusehen. »Jonathan?« Sie lächelte verträumt. Nun war ich derjenige, der nicht in der Lage war, sich zu bewegen.
    Ihr Lächeln wurde schwächer.
    Mrs. Poole ließ den Becher auf dem Nachttisch stehen und entschuldigte sich. Sie schloss die Tür leise hinter sich.
    »Du warst...« Aber ich konnte den Satz nicht beenden.
    »Ich weiß. Ich hätte dir alles erklären sollen, bevor wir anfingen«, meinte sie. Sie stützte sich auf einen Ellbogen. »Es ist ... manchmal schwierig für mich, die richtigen Worte zu finden, besonders bei dir. Ein andermal scheint es das Beste zu sein, überhaupt nichts zu sagen.«
    »Das Beste für dich?«
    »Ja«, antwortete sie aufrichtig, nachdem sie einen Moment darüber nachgedacht hatte. »Und nun hast du wieder Angst vor mir.«
    Ich konnte die Wahrheit kaum bestreiten. »Vielleicht redest du mir das wieder aus, wie du es vorher schon getan hast«, murmelte ich.
    »Oder vielleicht tust du das selbst.«
    Ich begann zu sprechen und sie nach der Bedeutung ihrer Worte zu fragen, bemerkte jedoch, dass das nicht notwendig war. Alles, was ich tun musste, war an meinen Vater zu denken und mich daran zu erinnern, wie er gekämpft hatte, um seine Entfremdung von Mutter zu erklären.
    »Ich konnte sehen, wie ich mich in ihre kleine Marionette verwandelte, hat er gesagt.«
    Ihr Blick wurde scharf. »Wer sagte das?« »Vater, als er über seine Frau sprach.« Der Raum war tödlich still, bis auf das Klopfen meines Herzens. Ich hielt den Atem an. in der halben Erwartung, dass sie etwas tun würde, aber sie bewegte sich nicht. »Du willst keine Marionette, oder?«
    »Nein«, flüsterte sie.
    Doch ihr Leben war erfüllt von Marionetten: gut aussehende junge Männer, die ihr das Blut gaben, von dem sie lebte, und ihr Geld gaben, mit dem sie lebte, jeder Einzelne von ihnen glücklich mit seinem Schicksal, jeder Einzelne unter ihrer sorg fältigen Kontrolle. In dieser Nacht war ich die einzige Ausnahme dieses Musters geworden. Als ich mich selbst nach dem Warum fragte, kannte ich die Antwort so genau, wie ich jede Kontur ihres Körpers kannte. Welche Furcht ich auch immer empfunden haben mochte, sie schmolz, als hätte es sie niemals gegeben.
    Das Fieber, das ich zuvor mit ihr geteilt hatte, kehrte zurück, überströmte mich von Kopf bis Fuß mit einem Bedürfnis, das überwältigender war als irgendein anderes. Mein Blut begann schneller zu pulsieren und wurde heiß. Es hämmerte und spielte um die kleinen Wunden an meinem Hals.
    »Ich bin sehr froh, das zu wissen«, sagte ich, wobei meine Stimme heiser wurde.
    Und dann waren keine Worte mehr nötig.

KAPITEL
8

    Cambridge, Januar 1776 Neujahr mit Oliver und einigen unserer Freunde zu feiern, hatte sich wieder einmal als fröhliche, aber erschöpfende Erfahrung herausgestellt. Ich brauchte einige Tage, um mich zu erholen, bevor ich wieder in der Lage war, meine Umgebung wahrzunehmen und so das Briefpäckchen zu entdecken, das einer der nüchterneren Diener auf meinen Schreibtisch gelegt hatte. Als ich das Siegel brach, stellte sich zu meiner Enttäuschung heraus, dass es bloß einen einzigen Brief enthielt. Dies war ungewöhnlich, und ich spürte bereits eine Unruhe, bevor ich ihn überhaupt gelesen hatte. Nachdem ich ihn gelesen hatte, war ich in keiner besseren Gemütsverfassung, und als ich die Tragweite der Neuigkeiten, die er enthielt, in vollem Umfang erfasst hatte, war ich wahrhaftig erschrocken.
    Ich musste zu Nora.
    Draußen war es völlig dunkel, und es regnete, aber sie würde wohl trotz des Wetters Besucher empfangen.
    Ich zog mir passende Schutzkleidung an und stürzte aus dem Haus.
    Die Straßen waren glitschig vor Wasser und Schlamm. An einigen der Häuser waren die Außenlampen entzündet, aber ihre Wirkung war kaum besser als die von Irrlichtern im Nebel. Doch dies spielte fast keine Rolle. Meinen Weg zu Nora hätte ich auch mit verbundenen Augen finden können.
    Mrs. Poole ließ mich herein, lächelte und sagte: »Ich bin sicher, sie kommt in ein paar Minuten zu Ihnen.« Ja. Das entsprach der Wahrheit. Ein paar Minuten mit jedem. Das reichte ihr, um zu bekommen, was sie brauchte. Ich hatte ihr das nie missgönnt, aber diesmal war das Warten schwierig. Der Brief raschelte in meiner Manteltasche, als wolle er mich an das Unglück, das seine Zeilen enthielten, erinnern.
    »Soll ich Ihre Sachen nehmen?«
    Damit hatte Mrs. Poole mich sanft an meine Manieren erinnert. Ich reichte ihr den Hut und schlüpfte aus dem Mantel,

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