Der rote Tod
genug Gelegenheit gehabt, diese stille Kommunikation zu üben, und wieder einmal hatte sie uns allen ein en ausgedehnten Streit erspart.
Beldon hatte dies bemerkt – denn er achtete stets auf das, was um ihn herum vorging – und entspannte sich sichtlich. Wann immer Mutter sich übermäßig aufregte, fiel die Aufgabe, sie wieder zu beruhigen, ihm zu. Seine Flasche mit Laudanum hatte sich in der Vergangenheit als sehr nützlich erwiesen, aber als guter Arzt widerstrebte es ihm, bei jedem Krankheitsfall im Hause darauf zurückzugreifen. Ich hatte in Cambridge mehr als einen Opiumesser gesehen, der sich selbst zugrunde richtete. In diesem Punkt stimmte ich mit ihm überein.
»Ich habe vorhin den ältesten Sohn von Mr. Finch getroffen«, meinte er.
»Während er auf seinen Vater wartete, vertraute er mir das Unglück der Familie an.«
»Hmm«, knurrte Vater entmutigend, da er am Tisch nicht über die Arbeit sprechen wollte.
»Und sein Sohn erwähnte auch noch andere Dinge; hauptsächlich, um die Zeit totzuschlagen, wie ich fürchte. Ein anständiger junger Mann, aber schwer von Begriff.« Er sprach in einem trägen und gelangweilten Tonfall, als ob es die Mühe nicht wert sei. Damit hatte er genau die richtige Balance gefunden, um einerseits seine Nachricht loszuwerden, aber andererseits die Neugierde nicht anzuregen. Mutter und Mrs. Hardinbrook schenkten ihm die gebührende Ignoranz, da sie kein Interesse an dem Geschwätz von Farmern hatten.
Vater blickte auf. Beldon begegnete seinem Blick kurz und betrachtete dann die Tapete. Ich konnte Vater innerlich fast »Verdammnis« sagen hören. Er brummte noch einmal und nickte zuerst Beldon zu, dann mir. Das bedeutete, dass wir beide nach dem Essen in die Bibliothek kommen sollten.
Danach herrschte Schweigen. Die Hitze war selbst für Mutter zu groß, um lange über ihre vielen Klagen zu sprechen. Sie legte ein dickes Stück heißer Pastete auf die Servierplatte zu rück und entschuldigte sich. Üblicherweise machte sie um diese Tageszeit ein Nickerchen, wenn keine Belustigung anstand. Heute Abend war nichts geplant, und niemand hinderte sie daran zu gehen.
Mrs. Hardinbrook war eine Frau, die über einen Appetit verfügte, dem keine noch so große Hitze etwas anhaben konnte. Sie verspeiste ihre Pastete mit einem großen Stück Käse und einem Extraglas Wein. Stöhnend unter dieser Last würde sie sicherlich Mutters Beispiel folgen und den Rest des Nachmittages verschlafen. Einer nach dem anderen entschuldigte sich und verließ den Raum.
Elizabeth war die Erste, die gegangen war, und wartete in der Bibliothek auf uns. Sie hatte Vaters Zeichen ebenfalls mitbekommen und war interessiert daran, Beldons Neuigkeiten zu hören. Solche informellen Zusammenkünfte waren schon früher einberufen worden, und Beldon hatte Elizabeths Anwesenheit nur einmal in Frage gestellt, beim ersten Mal. Er war der Meinung, dass die zarte Natur ihres Geschlechtes ihren Ausschluss von den »geschäftlichen Angelegenheiten« rechtfertigte, aber ihre beißende Entgegnung auf seinen Vorschlag änderte seine Sicht der Dinge.
Vater machte es sich auf seinem Stuhl bequem, Elizabeth und ich übernahmen das Sofa, und Beldon ließ sich auf einem Fensterbrett nieder, um die Brise zu genießen. Wie ein Dandy trug er seine Perücke zu jeder Zeit und bei jedem Wetter, egal, wie ungemütlich das für ihn sein mochte. Er zog ein Taschentuch aus dem Ärmel und wischte sich die Schweißperlen ab, die seine Stirn befeuchteten.
»Erzählen Sie mir, was Sie gehört haben«, instruierte ihn Vater ohne Einleitung.
Beldon gehorchte. »Dies ist ein Gerücht, wohlgemerkt, aber der junge Roddy traute der Quelle.«
»Was für eine Quelle?«
»Irgendein Sergeant, der mit den Kommissaren arbeitet. Er prahlte in The Oak vor allen Anwesenden über seine erfolgreichen Beutezüge. Roddy und Nathan Finch hielten sich still in einer Ecke auf und hörten ihn darüber reden, dass die Kommissare sich nicht damit zufrieden geben würden, darauf zu warten, dass die Farmer zu ihnen kämen. Er erwähnte nicht genau, was sie planen, aber es scheint klar zu sein, dass sie als Nächstes ihre Sammlungen in Einzelhaushalten fortsetzen werden.«
Vater schnaubte. »Massendiebstahl, darum geht es doch.«
Beldon lächelte wenig enthusiastisch. »Sie haben sich gut genug eingearbeitet. Sie sind inzwischen vertraut mit dem Land und den Leuten und werden verdächtige Dinge sofort bemerken.«
Elizabeth war auf dem Laufenden. »Sie
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