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Der rote Würfel

Der rote Würfel

Titel: Der rote Würfel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Pike
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Ahnung davon, daß ich eine Menge Inquisitoren umgebracht hatte. Ein kleines Detail, das ich in der Beichte ihm gegenüber zu erwähnen vergessen hatte.
Ich erinnere mich noch gut daran, wie sanft Arturo mit dem Kind umging, damit es sich auf der Kupferplatte entspannte. Für gewöhnlich war der Junge dreckig und speckig, doch hatte ich ihn vor Beginn des Experiments in die Wanne gesteckt. Natürlich war er voller Mißtrauen anderen gegenüber, weil er schon so oft in seinem Leben von anderen mißbraucht worden war. Aber uns mochte er, denn ich hatte ihm ab und zu etwas zu essen gegeben, und Arturo hatte ohnehin eine gute Hand mit Kindern. Jedenfalls lag er schon bald ruhig auf dem Kupfer und atmete ganz normal. In der dunklen Flasche Blut spiegelte sich das Mondlicht und warf einen rötlichen, unheimlichen Schimmer durch den Raum. Er erinnerte mich an die Dämmerung, unmittelbar bevor die Nacht hereinbricht.
»Da geschieht etwas!« flüsterte Arturo, während wir beobachteten, wie sich der Atem des Jungen beschleunigte. Zwanzig Minuten lang befand sich das Kind in einem Stadium der Hyperventilation. Es zuckte und schüttelte sich. Wir hätten den Prozeß unterbrochen, wenn das Gesicht des Jungen dabei nicht völlig ruhig geblieben wäre. Außerdem waren wir ja immerhin Zeuge eines historischen Ereignisses, vielleicht sogar eines Wunders.
Schließlich lag der Junge wieder ruhig. Arturo lenkte das Mondlicht wieder um und half dem Jungen beim Aufstehen.
In den Augen des Kleinen lag etwas seltsam Neues – sie leuchteten. Er umarmte mich.
» Ti amo anch fo, Sita«, sagte er. »Ich liebe dich auch, Sita.« Ich hatte ihn zuvor noch nie einen ganzen Satz sagen hören. Ich war so überwältigt vor Freude, daß mir dabei überhaupt nicht in den Sinn kam, daß ich ihm gegenüber niemals meinen richtigen Namen erwähnt hatte. In ganz Italien kannten ihn bloß Arturo und Ralph. Wir waren beide überglücklich, daß das Gehirn des Kindes ganz normal zu funktionieren schien. Ich weinte richtige Tränen und keine aus Blut.
Die aus Blut sollten später noch kommen.
Dieses erste und erfolgreiche Experiment gab Arturo gewaltigen Auftrieb und ließ seine Vorsicht ermüden. Er war Zeuge einer geistigen Veränderung geworden; jetzt wollte er auch eine körperliche sehen. Er machte sich auf die Suche nach einem Leprakranken und brachte eine etwa sechzigjährige Frau mit, deren Zehen und Finger bereits von der gefürchteten Krankheit zerfressen waren. Der Anblick von Leprösen war mir über die ganzen Jahrhunderte ein ganz besonderer Greuel gewesen. Im Rom des zweiten Jahrhunderts hatte ich einen Liebhaber, der an Aussatz erkrankte. In der Endphase seiner Krankheit flehte er mich an, ihn zu töten, und das tat ich auch. Ich preßte mir die Augen zu und zertrümmerte ihm den Schädel. Heutzutage gibt es eben AIDS. Jedem Zeitalter serviert die Natur ihr spezielles Horrormenü. Sie ist wie Gott Krishna: voller böser Überraschungen.
Die Frau war beinahe schon zu krank, um überhaupt mitzubekommen, was wir mit ihr anstellten. Arturo gelang es jedenfalls, sie zu ruhigen Atemzügen zu bewegen, und schon bald geschah das Wunder erneut. Sie hyperventilierte, zuckte dabei noch arger, als dies der Junge getan hatte. Doch Augen und Gesicht blieben ruhig. Ich war nicht sicher, was in ihr vorging; es war auf alle Fälle nicht so, daß ihr einfach plötzlich neue Zehen und Finger gewachsen wären. Als sie es hinter sich hatte, führte Arturo sie nach oben und ließ sie sich auf einem Bett ausruhen. Von Anfang an schien sie stärker, wacher zu sein als zuvor.
Nach ein paar Tagen wuchsen ihr Finger und Zehen nach.
Zwei Wochen später wies sie keinerlei Leprasymptome mehr auf.
Arturo versetzte das in einen Begeisterungstaumel, aber ich fing an, mir Sorgen zu machen. Wir schärften der Frau ein, niemanden zu erzählen, was wir mit ihr getan hatten. Natürlich erzählte sie es allen. Die Gerüchte machten die Runde. Klug wie er war, gab Arturo ihre Heilung als Gnade Gottes aus. Doch ein Heiliger zu sein, war in jenen Zeiten der Inquisition noch gefährlicher, als ein Sünder zu sein. Denn ein Sünder konnte – außer, man bezichtigte ihn der Ketzerei – Reue zeigen und dann mit einer Auspeitschung davonkommen. Hinter einem Heiligen jedoch konnte sich eine Hexe verbergen. Lieber jemanden verbrennen, der möglicherweise ein Heiliger war, so argumentierte die Kirche, als auch nur einen davonkommen zu lassen, der möglicherweise eine Hexe war. Die Kirche

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