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Der rote Würfel

Der rote Würfel

Titel: Der rote Würfel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Pike
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begonnen haben.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich kann dich nicht verändern. Nicht jetzt.« Plötzlich begriff ich. Meine Träume zerplatzten. Ich hatte mir vorgestellt, ein Töchterlein auf dem Arm zu haben, das nie geboren worden war – und das nun wohl auch niemals geboren werden würde.
»Vor allem brauchst du doch mein Blut«, gab ich zurück. »Das reine Vampirblut«. Tatsächlich mußte er das Kristallfläschchen damit ständig wiederauffüllen, zwar nicht vor jedem Experiment, aber doch häufig. Altes Blut wirkte nicht – es war tot. Ich fuhr fort: »Und was, wenn dein Experiment funktioniert und du ein perfektes Wesen schaffst? Ich kann doch nicht so viel Blut geben, um jeden hier auf dem Planeten zu verändern.«
Er zuckte nur mit den Schultern. »Vielleicht können ja die, die verändert wurden, zu neuen Spendern werden.«
»Das ist aber ein großes Vielleicht. Außerdem kenne ich doch die Menschen. Das wird doch sicher ein Nur-für-Mitglieder-Verein. Ganz egal, wie lauter deine Absichten jetzt im Moment auch sein mögen.« Ich wandte mich ab und kicherte böse vor mich hin. »Wer wird denn eine Chance bekommen, zum perfekten Wesen aufzusteigen? Der Adel? Der Klerus? Die korruptesten von allen werden doch die sein, die das am meisten für sich beanspruchen. Das ist die älteste Lektion der Welt. Das ändert sich nie.«
Arturo schloß mich in die Arme. »So wird es nicht kommen, Sita. Gott hat dieser Arbeit seinen Segen erteilt. Aus ihr kann nur Gutes entspringen.«
»Niemand weiß, wofür Gott seinen Segen erteilt hat«, flüsterte ich. »Und was er verflucht hat.«
    Einige Tage vergingen. Arturo und ich sprachen kaum miteinander. Er blieb lange auf und schuf Modelle, die niemand zuvor gesehen hatte, und er hatte Angst davor, mit mir zu reden oder mich zu berühren. Erst jetzt wurde mir klar, daß er mich gleichermaßen als Geschenk wie auch als Herausforderung Gottes betrachtete. Ich brachte ihm Zauberblut und Zaubersex. Er war überzeugt davon, entweder nur das eine oder eben nur das andere in Anspruch nehmen zu dürfen. Seine Intuition, die ihn vor Fehlern bewahrte, verlor er wohl, weil er glaubte, ihrer nicht mehr würdig zu sein. Er betete nicht mehr zu Gott und murmelte statt dessen nur noch etwas vom Blute Jesu Christi vor sich hin. Er wurde besessener vom Blut, als ich es war, und ich hatte es immerhin doch alle paar Tage zum Abendessen.
    Eines Abends konnte ich Ralph nirgendwo finden. Arturo sagte, er habe keine Ahnung, wo der Junge stecke. Er log zwar nicht, sagte aber auch nicht die ganze Wahrheit. Ich bedrängte ihn nicht. Wahrscheinlich wollte ich die Wahrheit gar nicht wissen. Hätte ich darauf beharrt, daß er mir Rede und Antwort stand, hätte ich das Grauen vielleicht beenden können, bevor es außer Kontrolle geriet.
    Das Schreien begann mitten in der Nacht.
Ich war gerade unterwegs auf einem Spaziergang. Zu meinen Gewohnheiten gehörte es, spätabends verkleidet auszugehen, einen Obdachlosen aufzustöbern, mir ein paar gute Schlucke Blut zu genehmigen, dem edlen Spender ein paar Worte ins Ohr zu hauchen und ihn dann wieder schlafen zu lassen. Von bösartigen Priestern einmal abgesehen, brachte ich zu jener Zeit nicht allzuviele Menschen um. Die Schreie, die in dieser Nacht an mein Ohr drangen, gingen mir durch Mark und Bein. So schnell ich konnte, rannte ich auf die Geräusche zu.
Ich stieß auf fünf Leichen, grauenhaft zugerichtet, mit abgerissenen Gliedmaßen. Nur ein Wesen mit übernatürlichen Kräften konnte so etwas angerichtet haben. Die einzige, die noch am Leben war, war eine Frau, deren einer Arm neben ihr lag. Ich legte ihren Kopf auf meinen Schoß.
»Was ist geschehen?« wollte ich wissen. »Wer hat das getan?«
»Der Dämon!« flüsterte sie nur.
»Wie sah dieser Dämon aus?« hakte ich nach.
Sie mußte würgen. »Wie ein hungriger Engel. Das Blut…« Ihre Augen streiften den abgetrennten Arm und sie brach in Tränen aus. »Mein Blut.«
Ich schüttelte sie. »Wie hat der Dämon ausgesehen?«
Ihre Augen brachen. »Ein Kind«, flüsterte sie mit letzter Kraft und starb in meinen Armen.
Der Kummer fraß mich auf. Ich wußte, wer dieses Kind war.
Weit entfernt, von der anderen Seite der Stadt her, hörte ich wieder Schreie.
Sofort stürmte ich darauf los, doch ich kam erneut zu spät. Wieder zerfetzte Leichen, und dieses Mal mit Zeugen. Ein wütender Mob kam zusammen, mit lodernden Fackeln in der Hand. Sie hatten das Dämonenkind gesehen.
»Es rannte auf den Wald zu!«

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