Der rote Würfel
aufpassen. Ihr habt doch gesehen, was sie mit Sam und Charlie angestellt hat.«
»Sie hat die beiden locker k.o. geschlagen«, pflichtet ihm Wachmann zwei bei. »Aber das sollte sie mal mit mir versuchen. Weit käme sie dabei nicht.«
»Ich glaube nicht, daß du es darauf ankommen lassen solltest«, meint Wachmann eins. »Sie soll ja irgendwie superkräftig sein.«
»Na gut, aber warum sie so kräftig ist, sagt uns kein Mensch«, sagt Wachmann drei. »Sie befehlen uns einfach bloß, sie im Auge zu behalten. Und was, wenn sie ausbricht? Sie könnte uns alle umbringen.«
»Ja!« flüstere ich sanft in mich hinein.
»Beruhige dich«, meint Wachmann eins. »Sie hat null Chancen, aus dem Käfig da rauszukommen.«
»Und selbst wenn sie ausbricht«, wendet Wachmann eins ein, »dann können wir sie immer noch aufhalten. Was gehen mich denn die Befehle an? Ich knall’ sie einfach ab.«
»Mir haben sie gesagt, daß ihr Kugeln nichts anhaben können«, erwidert Wachmann drei, innerlich immer noch damit beschäftigt, welche Riesengefahr von mir ausgeht.
Als nächstes konzentriere ich mich auf Wachmann eins. Auch ihm sende ich eine Suggestion hinüber.
»Wir dürfen sie nicht aus den Augen verlieren.«
»Wir behalten sie im Auge«, sagt Wachmann eins.
Den gleichen Gedanken pflanze ich auch bei Wachmann drei ein. »Ja«, plappert Wachmann drei nach. »Wir müssen wachsam sein, wir müssen sie ständig beobachten.«
Mit dem gleichen Gedanken will ich auch Wachmann zwei impfen.
»Ich muß pinkeln,« sagt Wachmann zwei.
»Nicht übel«, murmele ich zu mir selbst. »Zwei von drei ist keine schlechte Erfolgsquote.«
Im Verlauf der folgenden halben Stunde – mit Ausnahme der Zeit, die Wachmann zwei auf der Toilette verbringt – verstärke ich nach und nach ihre Paranoia darüber, wie gefährlich ich bin und wie schlimm es wäre, wenn sie mich nicht ständig unter Beobachtung hielten. Schon bald bringen Wachmann eins und drei nur noch paranoiden Quatsch hervor. Wachmann zwei weiß nicht, wie er die beiden wieder beruhigen soll, und noch nicht einmal, wieso sie plötzlich beruhigt werden müssen.
»Wenn wir sie nicht jede Sekunde im Auge haben…«, steigert sich Wachmann eins, »dann bricht sie aus.«
»Und sobald sie ausbricht…«, ergänzt Wachmann drei… »reißt sie uns das Herz raus und ißt es auf.«
»Hört auf damit!« brüllt Wachmann zwei. »Sie bricht hier nicht aus.«
»Das wissen wir,« sagt Wachmann eins. »Sie bricht nicht aus, wenn wir die Augen aufhalten und das Licht auf sie gerichtet lassen.«
»Aber wenn die Lichter ausgehen, sind wir verloren«, beschwört Wachmann drei.
»Warum sollten denn die Lichter ausgehen?« will Wachmann zwei wissen.
Ich hole ein paarmal tief Luft und gebe meinen Zustand tiefer Konzentration nach und nach wieder auf. Ich fasse Joel an und schüttele ihn behutsam. Er öffnet die Augen und lächelt mich an. Bei allem Drumherum habe ich ganz vergessen, wie hübsch er ist. In seinen tiefblauen Augen liegt ein Ausdruck von Zärtlichkeit.
»Was für ein schöner Anblick beim Wachwerden«, flüstert er.
»Danke.«
»Hast du geschlafen?«
Ich beuge mich zu ihm vor und flüstere ihm direkt ins Ohr: »Nein. Ich habe die Samen unseres Ausbruchs ausgelegt. Die Wachmänner draußen sind von der Furcht besessen, uns aus den Augen zu verlieren.«
Er wird neugierig. »Weißt du das sicher?«
»Ja. Ich werde das Licht hier drinnen kaputtmachen. Dann kriegen sie Panik und werden um Hilfe rufen. Ganz sicher wird General Havor persönlich erscheinen.«
»Und dann?«
»Ich habe da so einen Plan, er ist aber noch nicht hundertprozentig spruchreif. Du brauchst mir einfach nur zu folgen. Steh auf jetzt und sei bereit, wenn ich das Kommando gebe.«
Joel tritt an die Wand gleich neben der Türe. Ich stehe mitten in der Zelle und starre in die Kameras über mir. Nun verabreiche ich den Wachmännern auf der anderen Seite der Wand eine letzte Dosis.
»Jetzt komm’ ich zu euch«, sage ich boshaft. »Haut besser ab und versteckt euch.« Ich lecke mir die Lippen. »Ich habe nämlich einen Mordshunger.«
Dann zerschmettere ich blitzschnell die Deckenlichter. Dunkelheit legt sich über unsere Zelle. Dennoch kann ich alles erkennen, während Joel sich an der Wand entlangtasten muß. Draußen im Kontrollraum höre ich Wachmann eins und drei in Panik aufschreien. Wachmann zwei greift nach seiner Waffe und herrscht seine Kollegen an, Ruhe zu bewahren. Ich kann kaum ein Kichern unterdrücken.
»Komm schon zu mir, General«,
Weitere Kostenlose Bücher