Der rote Würfel
Er war so stark wie zehn Männer. Er war schon aus der Tür, bevor ich ihn überhaupt hätte aufhalten können.«
»Du hättest mir Bescheid geben sollen. Ich hätte ihn aufgehalten, noch bevor er jemanden umbringt. Vielleicht hätten wir ihn zurückverwandeln können.«
Arturo schüttelt den Kopf. »Diese Möglichkeit gab es nicht.« Nach einer Weile fügt er hinzu: »Ich habe mich nicht getraut, dir Bescheid zu geben.«
»Na endlich: Der Hohepriester legt die Beichte ab«, spotte ich. »Du kannst hier erzählen, was du willst: Du hast an einem Kind herumexperimentiert und dann erst an dir selbst. Und du hast mich angelogen, als du im Namen deines hochheiligen Gottes geschworen hast, mir immer die Wahrheit zu sagen.«
»Jeder lügt einmal«, sagt er nur.
»Guarda cosa sei diventato, Arturo«, entgegne ich ihm in der Sprache seiner Jugend, gleichermaßen frustriert wie hoffnungsvoll. »Schau doch nur, was aus dir geworden ist, Arturo.« »Als wir uns zuerst begegneten, hättest du keiner Fliege etwas zuleide tun können. Und nur deshalb gab ich dir mein Blut. Ich habe dir vertraut.«
Selbst über Monitor kann ich erkennen, daß sein Blick sich in die Ferne richtet. Meine Worte rufen für uns beide schmerzvolle Erinnerungen wach. Mein Haß auf ihn wird nur noch übertroffen von der Liebe, die ich für ihn empfinde. Ja, es ist so: Ich liebe ihn noch immer, und dafür hasse ich mich. Er scheint zu spüren, was in mir vorgeht, denn mit einem Mal schaut er mich wieder an, und ein Lächeln legt sich auf sein Gesicht. Es ist ein trauriges Lächeln.
»Was ich getan habe, kann ich dir gegenüber nicht rechtfertigen«, erwidert er. »Außer, daß ich davon überzeugt war, der Lohn eines Erfolgs würde mehr wiegen als die Gefahr eines Scheiterns. Ja, ich hätte Ralph niemals dafür benutzen dürfen. Ja, ich hätte dich nicht anlügen dürfen. Aber wo wäre ich denn dann heute? Längst tot in irgendeinem vergessenen Grab. Und du gesund und munter in deiner egoistischen Welt. Wir hätten jetzt nicht dein Blut und könnten die Suche nicht fortsetzen, die vor siebenhundert Jahren ihren Anfang fand.«
Dafür habe ich nur ein höhnisches Kichern übrig. »Ich komme nicht darüber hinweg, daß ausgerechnet du mir gegenüber von Egoismus sprichst. Was für eine Krankheit hat sich denn bei dir im Magnetfeld vervielfacht, als du den Schwingungen meines Blutes ausgesetzt warst? Du bist doch vollkommen größenwahnsinnig geworden. Du warst Priester und ein guter dazu. Du warst deinem Gott gegenüber demütig. Und jetzt? Jetzt willst du selber Gott spielen. Wenn Jesus heute lebte, was hättest du ihm dann zu sagen? Würdest du ihn sich überhaupt erklären lassen, bevor du dich an sein Blut heranmachtest?«
»Möchtest du dich denn erklären?« fragt Arturo.
»Ich stehe keinem Menschen Rede und Antwort. Mein Gewissen ist rein.«
Er hebt die Stimme. Offenbar habe ich einen wunden Punkt bei ihm getroffen. »Das glaube ich dir nicht, Sita. Warum konntest du mir denn nicht in die Augen sehen, als du mich der Hexerei bezichtigt hast?«
»Du warst doch wirklich ein Hexer! Und der bist du auch geblieben: Verdammt noch mal, Arturo, kriegst du denn nicht mit, wie gefährlich es ist, wenn diese Leute mich hier gefangenhalten? Ich brauche General Havor doch nur anzusehen und weiß schon, daß er die Welt beherrschen will.«
»Er ist gar nicht so ein Monster, wie Andy es dich glauben machen wollte.«
» Du redest hier von glauben. An was glaubst du eigentlich heute? Es stimmt: Ich bin Jesus nie begegnet. Aber du weißt so gut wie ich, daß er deine Methoden niemals gutheißen würde. Deine Lügen, dein hinterhältiges Vorgehen und deine Foltereien. Die Mittel rechtfertigen den Zweck nicht. Du hast ja gar nicht mitbekommen, wie es war, als Ralph auf Menschenfleisch herumkaute. Hättest du das mit angeschaut, dann wüßtest du auch, daß der Weg, den du einschlagen willst, zur Hölle stinkt.«
Arturo lehnt sich ein wenig zurück vom Monitor. Er wirkt genauso müde wie ich, vielleicht auch genauso mit den Nerven am Ende. In diesem Augenblick wirkt sein Gesicht auch wesentlich älter als fünfundvierzig. Er scheint eher reif fürs Grab. Doch ist er fest entschlossen, seine Bestimmung zu erfüllen. Er schüttelt den Kopf, und ein Seufzen dringt ihm über die Lippen.
»Wir können die harte Tour mit dir fahren, Sita«, meint er. »Oder wir können die sanfte Tour mit dir fahren. Du hast die Wahl. Ich brauche dein Blut, und ich werde es mir holen.«
Ich setze
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