Der Rubin der Oger
Besonders verrückt schien die Tatsache zu sein, dass er noch nicht einmal eine Waffe besaß.
»Glimdibur, noch einmal entkommst du mir nicht«, schrie der junge Mann und hatte schon fast den Stollen verlassen, als Kruzmak hinter ihm herhechtete.
Er erwischte den Menschen am Arm und griff zu. Man hätte vermuten können, dass der Kriegsoger ihm den Arm aus der Schulter reißen würde, aber der junge Mann kam noch nicht einmal ins Straucheln, geschweige denn, dass sich sein Tempo verlangsamte. Er ging einfach weiter und schleifte Kruzmak hinter sich her. Nach wenigen Schritten blieb er stehen und drehte sich verärgert um.
»Du wagst es, mich zu berühren?«, fauchte er und löste Kruzmaks Griff mit zwei Fingern und dem Daumen.
»Niemand wagt es ungestraft, mich zu berühren. Seit tausend Jahren ernähre ich mich von Wesen, die dich noch nicht einmal als Lebensform ansehen, und du wagst es, dich mir entgegenzustellen.«
Er verdrehte Kruzmak den Arm so weit, dass der Oger sich am Boden wand und laut aufschrie. Mit einem einfachen Fußtritt in den Magen schleuderte er den Oger zwanzig Fuß weit gegen die Felsen, wo er benommen liegen blieb.
Sofort hasteten drei weitere Oger, bewaffnet mit schweren Steinhämmern, auf den Mann zu.
Rator hatte seine beidhändige Streitaxt vom Rücken gezogen und lauerte auf den richtigen Moment, um anzugreifen. Solange die drei Oger ihn attackierten, war es töricht, in den Kampf eingreifen zu wollen, die Gefahr, einen seiner Mitstreiter zu verletzten, war zu hoch.
Durch die Gotteslästerung angespornt droschen die drei Oger auf den Menschen ein. Der junge Mann hatte sich am Boden zusammengekauert und hielt die Arme schützend über seinen Kopf erhoben. Die schweren Hammerschläge prasselten auf ihn nieder. Immer wieder wurde er am Rücken, an den Oberschenkeln oder Armen getroffen, doch die Schläge schienen ihm nichts anhaben zu können. Sein Körper war weich, wie das dumpfe Geräusch der Schläge verkündete, doch wurden seine Gliedmaßen nicht verletzt. Der junge Mann rutschte nicht vom Fleck, keine blutende Wunde zeigte sich an seinem Körper, und kein Laut erklang aus seinem Mund.
Unerwartet blockte er einen Schlag mit dem Unterarm ab und griff nach dem Stiel des Steinhammers. Der Oger versuchte, seine Waffe wieder an sich zu reißen, doch konnte er dem Griff des Mannes nichts entgegensetzen. Mit einem kurzen Ruck glitt die Waffe aus den Händen des Ogers, und der Knauf des Hammers krachte gegen seine Brust. Das knirschende Geräusch von brechenden Knochen drang an Rators Ohr, und er sah, wie sein Mitstreiter auf die Knie fiel und sich die Schulter hielt.
Der Mensch erhob sich, obgleich ein weiterer Schlag ihn auf die Brust traf, und hielt das schwere Werkzeug frei schwingend in einer Hand. Der Hammer wog gut sechzig Pfund, und selbst die Oger mussten ihn beidhändig führen, um mit dem schweren Gerät arbeiten zu können, doch dieser junge Hüttenbauer führte ihn wie ein Kurzschwert. Dann traf ihn sein Gegner am Kopf, doch anstatt tot zusammenzubrechen, wie jedes andere Lebewesen es getan hätte, wandte er sich nur seinem Angreifer zu und zog eine Augenbraue hoch. Einhändig schwang er seine Waffe zielgerichtet auf das Haupt des Ogers. Sein Gegner hatte nicht die Zeit, den Schlag zu blocken, und nicht die Gewandtheit, sich unter ihm wegzuducken. Der steinerne Hammerkopf traf ihn an der Schläfe. Der Oger drehte sich zweimal um die eigene Achse und stürzte dann zu Boden. Rator sah, wie Blut aus seiner Nase und den Ohren floss. Der dritte Oger wollte gerade erneut zum Angriff übergehen, als Rator ihn zurückhielt.
»Stopp«, brüllte er. »Lassen Hüttenbauer laufen.«
Die Situation war aussichtslos. Rator wusste, wann man einen Kampf nicht gewinnen konnte, und er war erfahren genug, um nicht weitere seiner Leute opfern zu wollen. Diese Einsicht war den meisten Ogern nicht gegeben, und so stellte sich der verbleibende Hüne in Kampfpose vor den Durchgang.
»Geben Weg frei«, ermahnte ihn Rator. Erst diese Aufforderung ließ ihn beiseite treten, doch seine Körperhaltung zeigte Bereitschaft, sofort wieder auf den Menschen loszugehen.
»Ihr Oger habt dazugelernt, das macht euren Wert als willenlose Kriegsbestien zunichte«, sagte der junge Mann, als er den Stollen verließ. »Jedes Wesen hat seinen Platz und seine Bestimmung, doch ihr habt euren Weg verlassen, um nach etwas Anderem zu streben. Doch der Pfad, dem ihr nun folgt, führt euch zum Friedhof der
Weitere Kostenlose Bücher