Der Rubin der Oger
»Ich spüre, dass etwas in der Luft steht.«
»Wenn deine Prophezeiungen genauso gut sind wie deine Sprichworte, würde ich sagen, du bildest dir das nur ein. Es heißt: dass etwas in der Luft liegt .«
Doch Mogda war nicht mehr zum Lachen zumute. Er dachte an Usil und erzählte Cindiel von seinem kleinen Abstecher ins Tannenverlies und den Angriffen der Goblins. Er erzählte ihr auch von den Händlern, die ihm aufgelauert hatten, und dem merkwürdigen Verhalten des Priesters, als er den kranken Usil zu ihnen gebracht hatte.
Mogda wusste nicht genau, wie er es ihr erklären sollte. Etwas ging vor sich – etwas Großes. Das Verhalten der Menschen, Goblins und auch sonst aller anderen veränderte sich. Anstelle der alten Bündnisse trat Hass und Eifersucht. Der jungen Hexe etwas vorzumachen war aussichtslos. Sie würde sein Spiel sofort durchschauen, doch ihr die Wahrheit zu sagen würde sie vielleicht kränken. Vielleicht schätzte Mogda die Menschen auch nur falsch ein?
Als er Cindiel in die Augen sah, wusste er, dass auch sie etwas spürte. Verunsicherung und eine Ahnung lagen in ihrem Blick. Schließlich war sie eine Hexe, wenn sie es nicht spürte, wer dann?
»Vielleicht hast du einfach nur einen schlechten Tag erwischt. Die Leute in Osberg sind momentan recht angespannt. Die Nachricht von der Rückkehr der Elfen und die verdorbene Kornernte heizen die Gemüter an«, versuchte sie den Oger zu beruhigen.
Mogda schüttelte den Kopf.
»Nein, da ist etwas anderes. Sie respektieren uns nicht mehr. Unsere Taten geraten langsam in Vergessenheit. Und die Goblins, sie pfeifen auf die Elfen oder euer Korn. Es ist etwas anderes.«
Er verstand nicht immer, wie die Menschen reagierten oder was sie veranlasste, etwas zu tun, aber er wusste, dass sie sich verändert hatten. Genauso war es auch mit den Goblins.
»Goblins sind wilde, unberechenbare Kreaturen. Du selbst hast mir gesagt, dass sie nicht würdig sind, deinem Gott Tabal zu dienen.«
»Genau das ist es. Abgesehen davon, dass sie tot sind, wäre Tabal stolz auf sie gewesen. Sie haben sich nicht verhalten wie Goblins. Sie haben alles daran gesetzt, mich fertigzumachen. Und da war noch etwas, was mir aufgefallen ist.«
Mogda wühlte in seiner Tasche und kramte die Beeren heraus, die er bei Usil eingesammelt hatte.
»Die waren überall im Haus verstreut, und die Goblins steckten sich ständig welche davon in den Mund.«
Cindiel betrachtete die kleinen roten Beeren in Mogdas Hand und nahm eine, als er sie ihr entgegenstreckte. Vorsichtig roch sie daran, dann zerdrückte sie die Frucht zwischen Zeigefinger und Daumen und kostete mit der Zungenspitze ein wenig von dem Saft.
»Sie scheinen nicht besonders wählerisch zu sein, was ihre Nahrung betrifft. Das sind Trommelbeeren. Sie sind nicht sonderlich nahrhaft, ihr Geschmack ist einfach nur mehlig.«
»Und?«, fragte Mogda.
»Und nichts. Sie sind nicht giftig, aber haben auch sonst keine mir bekannte Wirkung.«
Mogda starrte auf die Beeren, während er sie in seiner Handfläche hin und her rollen ließ.
»Schade, ich dachte, du wüsstest etwas darüber«, brummte er.
»Wie meinst du das?«, fauchte Cindiel ihn an. »Nur weil ich sage, dass die Dinger nichts Besonderes an sich haben, unterstellst du mir, dass ich mich nicht auskenne?«
Blitzschnell schnappte sie sich die Beeren aus Mogdas Hand und stopfte sie sich in den Mund. Angewidert zerkaute sie die Früchte, um sie dann mit einem Würgelaut hinunterzuschlucken.
»Siehst du, es gibt nichts, was man über Trommelbeeren noch sagen könnte. Mir wachsen kein Flügel, ich habe keine Visionen von Tabal, ich höre keine Stimmen, und wenn ich nicht völlig falsch liege, bin ich auch nicht schwanger. So, nun habe ich hoffentlich deinen Wissensdurst gestillt und mir auf jeden Fall meinen Geschmackssinn verdorben.«
Mogda war verlegen. Er hatte Cindiel nicht kränken wollen, er hatte nur gehofft, dass sie etwas Licht ins Dunkel bringen konnte. So hatte er sich das Wiedersehen nach fast zwei Jahren nicht vorgestellt. Irgendwie musste er sie wieder beruhigen.
»Tut mir leid, ich habe es gar nicht so gemeint.«
»Das sagen sie alle«, sagte sie und funkelte ihn mit zornigen Augen an.
»Cindiel ... falls du doch falsch liegst«, begann er erneut und sah, wie sie von ihrem Platz aufstand, »könntest du das Kind anstatt Trommelbeere vielleicht Mogda nennen?«
Cindiels Gesicht hatte sich für einen kurzen Moment vor Zorn rot gefärbt, doch nachdem sie die Worte
Weitere Kostenlose Bücher