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Der Rubin der Oger

Der Rubin der Oger

Titel: Der Rubin der Oger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbuelt
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Gefangenen.
    »Hängt es auf, das Scheusal«, schrie Frau Mergil, die sich jetzt anscheinend in Sicherheit wiegte und zusammen mit ihrem Mann das Haus verlassen hatte. Sie hatte sich einen kräftigen Tampen über die Schulter geworfen und zeigte im Schein ihrer Laterne auf die alte Eiche, die im Hinterhof stand. Sie und ihr Mann trugen schon das Nachtgewand, das sie sich augenscheinlich teilten. Sie hatte das weiße Oberteil übergestreift, das selbst einem Oger als Hemd gepasst hätte. Er musste die dazugehörige Hose tragen, die, wenn er sie nicht bis zu den Brustwarzen hochgezogen hätte, über den Boden geschleift wäre.
    Ermutigt von so viel Selbstbewusstsein drängte die Gruppe von fast zwei Dutzend Bürgern Mogda wieder hinter das Haus. Mogda warf einen Blick auf Cindiel, die immer noch auf ihrer Veranda stand und die Hände vor das Gesicht geschlagen hatte.
    »Keine Angst, Prinzessin, wir klären das schon«, rief er ihr zu, in der Hoffnung seine beruhigende Stimme würde über die missliche Lage hinwegtäuschen.
    Ehe Mogda sich versah, stand er auch schon unter dem Baum und schaute auf den verdorrten Ast zwei Schritt über ihm. Schnell hatte einer der Männer die Schlinge zurechtgeknotet und warf sie zielgenau über den natürlichen Galgen. Nach etwas Hin und Her und einigem kleinlauten Gemurmel verstand auch Mogda, wo das Problem lag, als er auf die Schlinge sah, die vor seinem Bauch baumelte. Kein Mitglied des Lynchmobs war imstande, ihm die Schlinge um den Hals zu legen. Ihr verblendeter Hass reichte zwar aus, einen Unschuldigen zu hängen, aber er brachte nicht genug Mut hervor, die Schlinge um den Hals ihres Opfers zu knoten. Um das Ganze nicht unnötig in die Länge zu ziehen, fasste Mogda sich ein Herz und legte sich die Schlinge selbst um.
    Er war gespannt, wie es jetzt weitergehen sollte.
    Fasziniert starrten die Menschen vom Ende des Tampens, über den Ast, zu Mogdas Hals.
    Der Rädelsführer trat vor, eine brennende Fackel in Händen.
    »Hast du noch etwas zu sagen, bevor wir das Urteil vollstrecken?«
    Mogda fragte sich, von welchem Urteil der Mann wohl sprach. Die Anklage war ja laut genug herausposaunt worden, aber der Prozess ließ doch etwas zu wünschen übrig. Trotzdem wollte Mogda nichts zum Verlauf der Geschehnisse sagen. Aber es gab doch etwas, was ihm auf dem Herzen lag.
    »Was ist mit meinem Pferd?«
    Einige aus dem Pulk drehten sich um und schauten auf den immer noch erschöpften Gaul.
    »Genau, nehmen wir das Pferd, um ihn hochzuziehen.«
    Jetzt wusste Mogda auch, was mit dem Spruch »sich um Kopf und Kragen reden« gemeint war.
    Ohne weitere Möglichkeiten abzuwägen, führten sie das Pferd neben den Baum und verzurrten den Tampen mit dem Geschirr. Das Tier schien zu spüren, dass seine Revanche für die Tortur der Reise nahte, denn dieses eine Mal scheute es nicht vor der Anwesenheit des Ogers. Dann schlug Frau Mergil mit der flachen Hand auf das Hinterteil des Pferdes, woraufhin das Tier das Seil straff zog.
    Mogda spannte den Nacken an, und seine Muskeln verhärteten sich bis zum Unterkiefer. Die Schlinge zog sich zu und drückte ihm unangenehm auf die Halswirbel, doch Luft bekam er weiterhin. Immer wieder spornten sie das Pferd an weiterzuziehen, doch es stand wie festgewachsen. Die Leute starrten auf Mogda. Der versuchte, einen gequälten Gesichtsausdruck zu machen, stand aber immer noch mit beiden Füßen am Boden.
    Plötzlich stoben die Bürger auseinander, und aus dem Pulk heraus trat Hagrim. Sein alkoholgetränkter Atem stieg hoch bis zu Mogdas Nase. Unsicher schwankend stand Hagrim nur einen Schritt entfernt vor Mogda und tastete sich mit seinem Blick Stück für Stück an dem Oger hoch. Dann drehte er den Kopf und blickte vom Seil zum Ast und wieder hinunter zum Pferd.
    »Hallo Mogda«, sagte er urplötzlich und warf den Kopf herum.
    »Is das dein Gaul?«
    »Ja, ist ein hübsches Pferd, nicht wahr«, röchelte Mogda etwas schwerfällig.
    Hagrim starrte währenddessen wieder auf das Seil. Dann schien er einen Augenblick nachzudenken.
    »Kanns du es fliegen lassen?«
    Mogda brummte zustimmend und drehte dem Tier den Rücken zu. Dann stemmte er seine gefesselten Hände gegen den Stamm der Eiche und drückte den Oberkörper nach vorn. Er hörte, wie das Tier unruhig wurde und mit den beschlagenen Hufen über das Pflaster schrammte.
    »Gleich fliegt es. Gleich fliegt es«, hörte er Hagrim verzückt rufen.
    Schreie wurden laut, und Mogda glaubte für einen Augenblick, dass sie

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