Der Rubin der Oger
ihm und seinem Kunststück galten, doch dann drang der Geruch von verbrannter Kleidung und verkohltem Fleisch in seine Nase. Mit einem Ruck zerriss er die Fesseln um seine Handgelenke und hob einen Arm, um die Schlinge von seinem Hals zu lösen. Dann streifte er sie über seinen Kopf. Im selben Moment ging das Pferd durch und riss ihm den Tampen aus der Hand.
Mogda sah Cindiel, wie sie vor einem der Männer stand und ihre Hände auf seine Ohren gelegt hatte. Der Mann schrie wie im Todeskampf, während kleine gekräuselte Rauchfäden über seinem Kopf aufstiegen. Vor ihr lag ein weiterer Mann, der starke Brandwunden auf der Brust und im Gesicht hatte. Er krümmte sich vor Schmerzen.
Mogda konnte sehen, dass Cindiels Augen blutunterlaufen waren und weißer Schaum vor ihrem Mund stand. Ihr Gesicht war von Hass verzerrt. Er blickte sich um und sah die Leute in alle Richtungen davonlaufen. Frau Mergil lag am Boden und hatte es anscheinend versäumt, rechtzeitig zur Seite zu gehen, als das Pferd ausbrach. Ihr Mann kniete neben ihr und hielt sich die Schulter, die den gut sichtbaren Abdruck eines Pferdehufes aufwies.
Mogda wusste, dass man sich aus dieser Situation nicht mehr herausreden konnte. Er musste wieder einmal aus der Stadt fliehen, und Cindiel würde ihn wohl begleiten. Er stürmte an Hagrim vorbei, der immer noch an seinem Platz stand und die Eindrücke auf sich wirken ließ. Oder er versuchte zu begreifen, was vor sich ging. Dann rannte der Oger auf Cindiel zu und packte sie an der Taille. Er riss sie von dem gequälten Mann weg, der schreiend zu Boden stürzte. Dann sah er sich um und entdeckte den Einstieg zur Kanalisation, den er schon vor Jahren benutzt hatte. Er hielt darauf zu. Ohne Cindiel wieder herunterzulassen, riss er den Deckel hoch. Am lang gestreckten Arm ließ er sie in die Dunkelheit gleiten.
Mit wehmütigem Blick sah Mogda seinen hart umkämpften Proviant für eine Woche am Ende der Straße in eine Seitengasse einbiegen. Er tröstete sich damit, dass er es ohnehin nicht geschafft hätte, ein Pferd unbeschadet in die Kanalisation zu bekommen. Dennoch enttäuscht schob er sich hinter Cindiel her in die Kanalisation. Innerhalb weniger Augenblicke schwanden alle seine Pläne zur Flucht. Entsetzt starrte er auf seinen Bauch, der die Öffnung des Schachtes und zwei weitere Reihen Pflastersteine überdeckte.
»Unmöglich!«, schrie er. »Niemals habe ich soviel zugenommen.«
Da stürmten auch schon zwei Männer auf ihn zu, die ihre Fassung wiedererlangt und die missliche Lage des Ogers erkannt hatten. Bewaffnet mit Forken machten sie keinen Hehl aus dem Ernst ihrer Absichten.
»Ihr hinterhältigen Schufte, ihr habt die Einstiege enger gemacht«, schrie Mogda ihnen entgegen.
Da seine Waffe, das Runenschwert, unterhalb des Bauches in unerreichbarer Ferne hing, griff er zum einzig erreichbaren Gegenstand, dem Kanaldeckel. Er schleuderte ihn auf die Männer zu, die dank seiner eingeschränkten Bewegungsfreiheit keine Schwierigkeiten hatten, dem Geschoss auszuweichen. Der Oger steckte hoffnungslos fest, und alles, womit er sich wehren konnte, waren Beschimpfungen und schlechter Atem. Er versuchte einen der Pflastersteine aus der Straße zu ziehen, fand aber keinen Ansatzpunkt. Plötzlich durchfuhr ein stechender Schmerz seinen Fußknöchel. Es fühlte sich an wie glühendes Metall, das man ihm in den Fuß bohrte. Der Schock presste ihm die Luft aus den Lungen. Seine Muskeln verkrampften sich. Wie ein zu eng gewordener Fingerring in Seifenwasser löste sich Mogda aus der Umklammerung der Kanaldeckeleinfassung und sauste in die Tiefe.
»Alles eine Sache der richtigen Atmung!«, schrie er den wütenden Gesichtern über sich noch zu. Dann verschwand er im Dunkel der Kanalisation.
11
Troll und Mensch
Nokrat hatte sich gut versteckt, ein Umstand, den er dem Ausgang des Krieges zu verdanken hatte. Seit Jahren versteckte er sich mit ein paar Kumpanen und einer Gruppe heruntergekommener Orks in den Bergen. Nach der verlorenen Schlacht am Drachenhorst hatten die Zwerge regelrecht Jagd auf sie gemacht. Sie töteten jeden Troll, egal ob er eine Gefahr für sie darstellte oder nicht.
Nokrat hasste sein Leben. Es war eines Trolls nicht würdig sich zwischen Felsspalten und Gebüschen zu verstecken. Sie waren die Jäger, nicht die Beute. Kaum eine Kreatur war imstande, sich mit ihnen zu messen, dennoch mussten sich die Trolle verborgen halten. Zu viele Feinde wurden zusammengerufen, wenn es darum ging, sich an
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