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Der Rubin der Oger

Der Rubin der Oger

Titel: Der Rubin der Oger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbuelt
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sind nicht so einfach zu kurieren. Es braucht seine Zeit.«
    Mogda erhob sich wieder, achtete aber darauf, einen überzeugend leidenden Eindruck zu machen. Sein Gesicht war schmerzverzerrt, und sein Humpeln wirkte gequält.
    »Zeit ist alles, was wir nicht haben. Wenn uns doch jemand verfolgt, haben wir nicht die Möglichkeit, zu flüchten. Du hast ja gesehen, wie eng es werden kann.«
    Cindiel verdrehte genervt die Augen.
    »Bitte erzähl mir nicht schon wieder die Geschichte mit den ausgetauschten Einstiegen in die Kanalisation.«
    Mogda wirkte beleidigt.
    »Wie oft soll ich dir denn noch sagen, dass ich mein Gewicht gehalten habe? Meine Hose und mein Hemd passen mir schon seit Jahren. Ich habe kein Pfund zugenommen; meine täglichen Übungen lassen es gar nicht zu, fett zu werden.«
    Cindiel kehrte ihm lachend den Rücken zu und setzte ihren Weg fort.
    »Es tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, aber du bist fett. Ich weiß nicht genau, wie deine Übungen aussehen, aber sie haben bestimmt nichts mit Bewegung zu tun. Außerdem, woher willst du wissen, dass du nicht zugenommen hast? Ach, ich weiß, du steigst immer in eine riesige Waagschale, und wenn die sechs Milchkühe auf der anderen Seite nicht wegkatapultiert werden, hast du nicht zugenommen. Und was deine Hosen angeht: Londor – du erinnerst dich, der Kapitän – wäre sicherlich stolz, so ein riesiges Segel sein Eigen zu nennen. Du kannst doch nicht allen Ernstes daran glauben, dass die Bewohner von Osberg ihre Kanalisation enger machen, damit darin Oger stecken bleiben?«
    Mogda entgegnete nichts darauf. Er kannte sie gut genug, um zu wissen, dass keine Gefahr drohte, solange sie schrie. Doch sobald sie begann, resigniert zu lachen, wurde es ernst. Die Vorstellung, nicht zurück nach Osberg zu können, quälte sie. Sie hatte den Mann nicht töten wollen, doch die Trommelbeeren hatten ein Gefühl der Raserei in ihr geweckt. Sie und Mogda wussten es, leider waren sie aber die Einzigen. Ohne entlastende Beweise würden sie nach einem schnellen Prozess eingekerkert oder, schlimmer noch, hingerichtet werden. Die Tatsache, dass sie dabei nur hatte verhindern wollen, einen unschuldigen Oger zu lynchen, änderte wenig an der Situation. Vor dem Gesetz war das Leben eines Menschen mehr wert als das eines Ogers ... Viel mehr.
    »Was steckst du da alles in deine Tasche?«, fragte Mogda, um sie von ihren trübsinnigen Gedanken abzubringen.
    »Ich sammle Kräuter, Beeren und Früchte. Wir müssen herausfinden, ob sich vielleicht nicht nur die Trommelbeeren verändert haben.«
    Mogda rupfte ein ganzes Büschel Wildkräuter aus dem Boden, hielt sie hoch und beäugte sie misstrauisch.
    »Sieht aus wie Grünzeug und riecht wie Grünzeug. Jetzt müssen wir nur noch jemanden finden, der den Vorkoster spielt.«
    Cindiel zerrieb einige Blätter zwischen den Fingern und roch daran.
    »Du kannst sie gern probieren.«
    Mogda warf das Büschel wieder zu Boden.
    »Lieber nicht, nachher machen sie noch dick«, sagte er grinsend.
    Der Tag neigte sich seinem Ende zu. Mogda und Cindiel hatten die Ausläufer des Tannenverlieses erreicht und streunten noch einige Zeit durch den lichten Wald. Das Tageslicht reichte bald nicht mehr aus, um ihre Suche fortzusetzen. So entschlossen sie sich, ein Nachtlager aufzuschlagen.
    Mogda bereitete wie gewohnt die zwei Schlafplätze, und Cindiel sammelte Reisig für ein wärmendes Feuer.
    Fast schon übertrieben genau hackte Mogda mit seinem Schwert in der Erde herum, um Steine und Baumwurzeln zu entfernen, die seinen wohl verdienten Schlaf stören könnten. Danach verteilte er einige Hände voll Laub in den Kuhlen, als Schutz gegen die aufsteigende Feuchtigkeit aus dem Boden. Zwei morsche, moosbewachsene Stämme dienten als Kopfkissen, und nach mehrmaligem Zurechtrücken stellte er die Arbeit zufrieden ein. Während er noch stolz sein Werk betrachtete, fiel ihm auf, dass Cindiel schon am Feuer saß und ihn beobachtete.
    »Was ist?«, fragte er in der Befürchtung, schon wieder etwas falsch gemacht zu haben.
    »Seit wann bist du so?«, fragte sie.
    »Wie?«
    »Na, so ... menschlich.«
    »Nur weil ich es etwas gemütlicher mag, bin ich doch nicht menschlich. Was soll das überhaupt heißen, menschlich? Ihr denkt wohl, auf alles, was genau durchdacht ist, funktioniert und etwas Konfekt bietet, habt allein ihr ein Anrecht.«
    »Komfort«, berichtigte sie ihn.
    »Ist doch egal. Nur weil wir Oger sind, heißt das noch lange nicht, dass wir keine

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