Der Rubin der Oger
schreien. Mogda schätzte seinen Bauchumfang ab und schaute entnervt in den schmalen Schacht über sich. Jemand griff von außen nach den Türklinken, doch Mogda war schneller und zog sie wieder zu sich heran. Die Widersacher hatten dem Gewicht und der Kraft des Ogers nichts entgegenzusetzen. Jemand probierte, die Klinge einer Waffe zwischen die Türflügel zu schieben und sie aufzuhebeln, doch die massive Bauweise der Zwerge ließ den kläglichen Versuch scheitern.
»Es ist doch nur eine Tür, nun macht schon!«, schrie der Meister seine Geschöpfe an.
»Sie ist von innen verriegelt, Meister«, flüsterte eine heisere Stimme.
Schlurfende Schritte näherten sich, und kurz darauf wischte jemand mit den Handflächen über das Holz. Die monoton gesprochenen Silben einer fremden Sprache lösten die reibenden Geräusche ab.
Mogda wollte nicht herausfinden, welch üble Hexerei draußen vorbereitet wurde. Vorsichtig löste er die Hände von den Türgriffen und trat einen Schritt zurück. Dann schob er eine Schulter vor und stürmte los.
Das Gewicht des Ogers riss eine Hälfte des Tores aus der steinernen Verankerung und begrub den Meister und zwei seiner Männer unter sich. Die andere Hälfte schwang mit Wucht auf und schleuderte die beiden anderen Männer gegen die Wand.
»Lauft«, schrie Mogda und zeigte auf das Wandstück mit dem Bildnis des Wassergotts. Er drängte seine Kameraden nach vorn, um ihnen mit seinem massigen Körper Schutz zu bieten.
Auf halbem Weg durch die riesige Halle spürte Mogda die nadelfeinen Einstiche der Giftpfeile in seinem Nacken. Das Licht ihrer beinahe erloschenen Fackeln wurde vom Schatten der Halle geschluckt, und sie verschwanden in der Dunkelheit.
Völlig erschöpft erreichten sie den Ausgang der Halle, der zu den Prachtgängen führte, durch die Besucher zur Audienz beim König geführt wurden. Mogda blickte sich um. Von den Häschern war nichts mehr zu sehen.
Ein weiterer Pfeil traf ihn am Hals. Barrasch, Cindiel und Finnegan eilten voraus. Mogda zwängte sich hinter ihnen durch die Tür und brach die Klinken aus dem robusten Eichenholz.
»Die Runen auf dem Boden«, keuchte Cindiel. »Das waren keine Zeichen der Götter, sie schützten die Halle vor Magie.«
Mogda warf die Beschläge zu Boden.
»Bist du sicher?«, fragte er.
Cindiel schüttelte den Kopf. Mogda betrachtete seine Gefährten, die schnaufend nach Luft rangen. Ein einziger Giftpfeil würde jeden von ihnen zu wehrlosen Opfern machen, und dann stünde er vier Elfen und einem Meister allein gegenüber.
»Lauft! Wir suchen den Ausgang!«, befahl er.
Sie folgten einem langen gebogenen Gang, der alle zwanzig Schritt zwei gegenüberliegende Ausbuchtungen aufwies, in denen die Statuen von Zwergenkämpfern standen. Um gegen das taube Gefühl anzukämpfen, riss Mogda im Vorbeilaufen die vier Fuß großen Statuen aus ihren Nischen und ließ sie auf dem Boden hinter sich zerbersten. Mit etwas Glück, dachte er, hinderten die Trümmer ihre Verfolger am Vorankommen.
Ein gleißendes Licht erfüllte den Gang hinter ihnen, und das dunkle Grollen eines Blitzschlags betäubte ihre Ohren. Der Meister und seine Kreaturen waren ihnen wieder auf den Fersen. Diesmal wirkten die Zauber des Nesselschreckens, nur war ihr Vorsprung noch zu groß. Mogda warf einen Blick nach hinten. Der Meister stand mit erhobenen Armen am Ende des Gangs. Drohend gestikulierte er mit dem Stecken in seiner Hand. Die dunklen Elfen waren ihm schon vorausgeeilt. Mogda glaubte seinen Augen kaum; sie liefen nicht wie gewöhnlich auf zwei Beinen, sondern hetzten auf allen vieren voran, wie ein Rudel Wölfe, und sie benutzen nicht nur den Boden, sondern auch Wände und Decke. Das Tempo, das sie dabei vorlegten, würde ihren Vorsprung bald zunichte gemacht haben.
Ein Blitzstrahl materialisierte sich auf halber Strecke zwischen ihnen und ihren Verfolgern. Der Strahl traf dreißig Fuß vor Mogda auf die Wand und gabelte sich wie ein Dreizack. Eine der Spitzen züngelte auf ihn zu, und Mogda riss gerade noch rechtzeitig eine Statue aus der Nische, um den Zauber krachend in den Stein fahren zu lassen. Geblendet vom Licht und taub vom Donner versuchte Mogda, nicht den Anschluss zu seinen Kameraden zu verlieren. Eine Hand packte seinen Arm und wies ihm den Weg in einen abzweigenden Tunnel. Hier waren die Decken niedriger und die Wände kaum verziert. Hastig wechselten die vier mehrfach die Richtung und kamen immer tiefer in ein Labyrinth aus Tunneln und Schächten.
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